An Banalität sind diese Fotografien kaum zu übertreffen: Einfahrt, Rampe oder Außentreppe waren die Arbeiten Oliver Bobergs in den vergangenen Jahren betitelt, und genau das zeigen sie auch. Und doch auch wieder nicht. Denn die Welt, so realistisch sie sich auf diesen Bildern darstellt, existiert im Grunde überhaupt nicht, ist sie doch nicht mehr als ein Modell, das der Künstler aus Tee und Kaffee, Gips und Sand und Farbe akribisch bis ins Detail erst konstruiert, um es dann abzulichten.
Dass man Boberg all die Potemkinschen Parkplätze, Baustellen und Abrisshäuser dennoch widerspruchslos abnimmt, verdankt sich freilich nicht allein der immer wieder Staunen machenden Inszenierung, sondern ist mehr noch der verblüffenden Tatsache geschuldet, dass der Betrachter gerade die banalsten Szenerien als Ausschnitte des eigenen urbanen und suburbanen Alltags identifiziert (…) Und auch Bobergs aktuelle, lapidar Seiten betitelte Werkgruppe funktioniert augenscheinlich nach dem gleichen Prinzip, geht aber einen entscheidenden Schritt darüber hinaus. Zwar zeigen auch diese Fotos ausnahmslos Modelle statt der Wirklichkeit.
Nun aber ist gleichsam Bewegung in Bobergs Welt gekommen. Aus je zwei oder drei Einzelaufnahmen komponiert, ist man unwillkürlich geneigt, die Bilder als sich ergänzende und den Schauplatz somit erst konstituierende Perspektiven zu lesen. Die Erzählung freilich, der narrative Subtext, wie ihn Boberg damit insinuiert, erweist sich bei genauerer Betrachtung stets als gebrochen, als pure Illusion. Und genau darauf kommt es an. Sind doch die Anschlüsse, die des Künstlers subtile Bildregie hier suggeriert, keineswegs inhaltlicher, sondern allenfalls formaler Natur; nehmen hier eine horizontale Linienführung auf, dort einen Farbton, eine Struktur, kaum mehr. Im Kern sind diese Seiten weitgehend abstrakt. Und angesichts der Konzentration auf unscheinbare Oberflächen, auf asphaltierte Wege, Mauern und Betonfassaden lässt sich schlechterdings nicht übersehen, dass sein künstlerisches Interesse mehr noch als in vorangegangenen Serien genuin malerischen Fragen gilt.
Wer indes Bobergs parallel zu seinem fotografischen Werk auf 16 Millimeter gedrehte Serie der Nacht Orte kennt, wird in den Bildschnitten der aktuellen Arbeiten wenigstens auch einen Kommentar auf jene Traumwelten entdecken, wie wir sie aus dem Kino kennen. Ist es doch die Frage der Inszenierung, nach der Verführungskraft der Bilder, die hier mit frappierender Beiläufigkeit in den Fokus der künstlerischen Betrachtung rückt: An der Wirklichkeit, so der Künstler, sei er dagegen weniger interessiert. Die Welt und wie sie sich darstellt, in Bobergs Seiten erscheint sie immer auch als Resultat der Bilder, die man sich von ihr macht.
(Christoph Schütte)