Bereits Erlebnisse meiner Kindheit und Jugend in Berlin inspirierten mich zu den Themen meiner späteren Fotoarbeiten. Als ich ca. 9 Jahre alt war gab es eine Jugendbewegung rund um das Musikgenre Techno. Es wurden Partys gefeiert, bei denen man sich zu politischen Fragen keine Gedanken machte, sondern wo es hauptsächlich um die Rückeroberung von leerstehendem, öffentlichem Raum ging. Damals war ich noch zu jung, um daran teilzunehmen.
Später, als ich ein Jugendlicher war, gab es Techno zwar immer noch, doch der war nun, im Rahmen der Love Parade, bereits in eine komplett kommerzialisierte Form überführt worden. Auf der Love Parade war nahezu jeder Wagen von irgendeinem Unternehmen gesponsert. Ich entwickelte eine Skepsis gegenüber dieser Form und wollte dieser Bewegung nicht angehören. Ich bin in Berlin in Prenzlauer Berg aufgewachsen und habe Ende der Neunziger kritisch aufgenommen wie Räume immer stärker privatisiert und kommerzialisiert wurden. Dort habe ich dann eine Serie mit dem Namen Love and Distruction begonnen. Ich bewegte mich in einer leicht politisierten Szene, die trotzdem noch geprägt war von Partys, karnevalesken Veranstaltungen und Love Parade-Nachwehen und fotografierte meine Freunde und was um mich herum passierte. Da war z. B. 1999 auf der Oberbaumbrücke eine Obst- und Gemüseschlacht zwischen den Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain, bei der sozusagen Ost gegen West zum Spaß gekämpft hatten. Weiterhin fotografierte ich Demonstrationen gegen den Aufmarsch der NPD-Partei auf der Oranienburger Straße, an der ich teilgenommen hatte, die Räumung eines Jugendzentrums oder Konzerte und Street-Partys im öffentlichen Raum. Street-Partys waren ein Format, das damals aus London und Amerika herüberschwappte und bei dem es darum ging sich den öffentlichen Raum zurückzunehmen. Man feierte auf Straßenkreuzungen oder in Einkaufszentren spontane Rave-Partys und wollte die Partykultur wieder in etwas Politisches überführen.
Beim Besuch vom damaligen US-Präsidenten Bush bemerkte ich, dass die politische Auseinandersetzung der Protestkultur immer ernsthaftere Formen angenommen hatte und ich war der Hoffnung, dass es eine Jugendbewegung geben könnte, die gesellschaftliche Verhältnisse sehr generell infrage stellen würde. Dieses Interesse an Protestkultur und einer gesellschaftskritischen Bewegung bündelte sich dann um die Jahrtausendwende in einer globalisierungskritischen Bewegung, die sich rund um die großen Gipfeltreffen konstituiert hatte. Ich fuhr mit Freunden 2001 nach Genua zum G8-Gipfeltreffen, bei dem man sehr schön festmachen konnte, wie sich Macht in einer ganz konzentrierten Form abgeschottet hatte. Gleichzeitig fand jedoch auch eine Diskreditierung von Macht statt, indem viele Menschen versuchten sehr offensiv in den Sicherheitsbereich der Gipfeltreffen einzudringen.
Mir wurde klar, dass ich diese Bewegung dokumentieren wollte und begann die Serie The Summits zu fotografieren. Ich kannte die Bilder der Studentenbewegung der 1969er und 70er Jahre und hatte das Ziel ähnlich einprägsame Fotografien zu schaffen. In Genua gab es verschiedene Routen. Das eine war die Route vom Black Block, der mit einer wahnsinnigen Militanz vorgegangen ist. Das andere war die Route vom Tutti-Bianchi-Block, der das Konzept hatte, sich nur komplett zu polstern und dann immer weiter vorzumarschieren, um zu sehen, wie weit man kommt, wenn man sich gepolstert zurückschlagen lässt. Nach den Ausschreitungen in Genua wurden die Gipfel immer weiter in die Landschaft außerhalb der Städte verlegt, in der Hoffnung, dass es dann schwieriger wäre für Protestler, diese Orte zu erreichen. Die Fotografien der folgenden Gipfel wirkten dadurch wie aus der Zeit gefallen. Durch die landschaftliche Einbettung erinnern die Sujets an Schlachten, die in einer ganz anderen Zeit gespielt haben, denn gewöhnlich wird Protest mit urbanem Raum assoziiert. Zu sehen ist dieses Phänomen z.B. in den Bildern des EU-Gipfels in Griechenland von 2003. Einer der letzten Gipfel zu denen ich gefahren bin war das Treffen in Hokkaido in Japan. Dort waren relativ wenige Aktivisten angereist und man erlebte eine abgeschwächte Form der Proteste. Die Aktivisten sahen die breite globale Bewegung nun nicht mehr als Hauptaufgabe und zogen lokalere Aktionen vor.
Mit der Zeit merkte ich, dass es mir auf Dauer nicht reichen würde, allein die Proteste darzustellen. Man konnte mit diesen Bildern von Demonstrationen und Protesten zwar eine Art Ästhetik darstellen und Menschen dazu bringen, sich für die Bewegung zu interessieren. Von den inhaltlichen Aspekten vermittelte man auf diese Weise jedoch kaum etwas. Ich stieß bei meinen weiteren Überlegungen auf das Element der Container, die bei den Gipfeln aufgestellt wurden, um die Protestler am Vordringen zu hindern. Der Container ist ein Symbol für den ungehinderten Warenfluss und das globale Wirtschaftssystem, da ohne den Containertransport eine Globalisierung gar nicht funktionieren könnte und so ein expansives Wirtschaftswachstum überhaupt nicht existieren würde. Als Schutzmauer gegen die Demonstranten setzte man das Symbol des Welthandels bei den Gipfeltreffen nun gegen die Leute ein, die gerade dieses Wirtschaftssystem infrage stellten. Ich fotografierte u.a. den vollständig automatisierten Containerterminal in Hamburg und ein Ausreisezentrum für Asylbewerber in Fürth, das aus Containern gebaut ist. Das zweite Beispiel fand ich recht bezeichnend. Man hat einerseits die Container, die über alle Grenzen hinweg Waren transportieren können und dann bringt man auf der anderen Seite Menschen, denen das nicht gelingt oder für die das nicht zulässig ist, in Ausreisezentren wieder im selben Symbol unter.
Der tatsächliche Kern war damit für mich aber noch nicht getroffen und so kam ich während meines Studiums mit den Thesen des französischen Situationisten Guy Debord in Berührung. Er war ein Vordenker der 68er-Bewegung und in seinem philosophischen Hauptwerk Die Gesellschaft des Spektakels liefert er eine genaue Analyse einer Gesellschaft, die komplett von Konsum und Markt durchdrungen ist und der alle Individuen ausgeliefert sind bzw. die in dieser Totalität von Warenpräsentation die Freiheit des Individuums oder der Individuen infrage stellt. Eine These lautet z.B.: »Das Spektakel ist der Moment, in dem die Ware zur vollständigen Vereinnahmung des gesellschaftlichen Lebens gelangt ist.« Das entsprach recht genau meinen Eindrücken. Ich denke da an Bahnhöfe, die komplett zu Einkaufszentren umgebaut wurden oder das beklemmende Gefühl in riesigen Shopping Malls. An diesen Orten fing ich an zu fotografieren und fuhr schließlich auf große Handelsmessen wie die CEBIT oder die IFA. Dort hab ich diese Welt, die Debord in der Gesellschaft des Spektakels beschreibt, sehr genau vorgefunden. Menschen sind nur noch zur Staffage geraten, indem sie dastehen, um das Produkt zu präsentieren und zu repräsentieren.
In der Serie Human Resources wollte ich von diesen Messen nur noch die künstliche Welt zeigen und nicht die Produkte oder Messen selbst. Deshalb retuschierte ich alle Namen und Produktbeschreibungen weg, sodass nur noch diese Menschen dastehen, die vielleicht den Besitz an sich als Produkt deklarieren können. Am 11. September 2007 machte ich mich auf den Weg zur Eröffnung einer Shopping-Mall in Berlin. Dort gab es in einem Elektronikkaufhaus 20 % Rabatt auf alles. Das war an einem Montag, 12 Uhr Mitternacht. Und so stürmten mitten in der Nacht unter der Woche ca. 8.000 Menschen durch dieses Kaufhaus. Die Serie Available for Sale zeigt dieses Ereignis und die nahezu apokalyptischen Zustände dieser Nacht. Die Leute, die es schon herein geschafft hatten und oben standen, bewarfen die noch unten wartende Menge hämisch mit Prospekten und machten sich darüber lustig, dass sie es nicht schaffen würden, da hochzukommen. Es gingen Dinge zu Bruch und der halbe Laden wurde auseinander genommen. Die Sicherheitsleute standen völlig überfordert da und die Initiatoren der PR-Kampagne waren selbst überrascht. Rückblickend sehe ich Vergleichspunkte zu den Protesten, die letztes Jahr in London stattgefunden hatten. Den Menschen wurde stets eingetrichtert, sie müssten die besten und großartigsten Produkte besitzen und dafür bezahlen. Wenn die Masse dann aber losgelassen wird, kann es schnell in Plünderungen und apokalyptischen Zuständen ausarten.
Als Weiterentwicklung zur Serie Human Resources nahm ich erneut das Format der Handelsmessen auf. Wenn man Messen als Herzstück und Frontlinie des Kapitalismus begreifen kann, konnte man es natürlich auch auf einer Messe versuchen, auf der es die tatsächliche militärische Komponente gibt. Dank eines Stipendiums der VG Bildkunst, eines Auftrages des Zeit-Magazins und einer Akkreditierung meiner Agentur (Ostkreuzagentur der Fotografen GmbH) fuhr ich zur größten Waffenmesse im Nahen Osten nach Abu Dhabi und produzierte dort die Serie World of Warfare. Bei dieser Messe treffen sich die Vertreter verschiedenster Militärs und Rüstungskonzerne, um ihre Produkte anzubieten und sich über Neuigkeiten der Rüstungstechnologie zu informieren. Auf den Bildern sieht man u.a. den Scheich von Abu Dhabi am Stand einer chinesischen Firma, den griechischen Verteidigungsminister oder Vertreter des Militärs aus Tansania. Ein Foto zeigt den Messestand der deutschen Firma Rheinmetall im deutschen Pavillon, der einer der größten Pavillons war. Der Stand erhielt den Preis für den schönsten Messestand und erinnert von der Präsentation her an die großen Sony-Stände. Mitten im arabischen Frühling war der Zeitpunkt der Messe sicher wirtschaftlich sehr gut gewählt. Die Geräte wurden live auf einem Areal vorgeführt und angeboten und von allen Seiten begutachtet. Man sieht auf den Bildern Geschütze, die später auch in Bahrain genutzt wurden.