Symposium 2016
Projektion – Fotografische Behauptungen

Mark Farid

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Mark Farid

Seeing I

Seeing I (geplant für 2017) ist ein künstlerisch-soziales Experiment des Künstlers Mark Farid, das danach fragt, wie groß der Anteil der inhärenten Persönlichkeit und wie umfassend der Anteil kultureller Identität im Individuum ist. 28 Tage, 24 Stunden am Tag, will Farid ein Virtual-Reality-Headset tragen, über das er das Leben mit den Augen und Ohren eines anderen Menschen erleben will, der in diesem Projekt als der Andere bezeichnet wird.

Wird für Farid, in seiner totalen Isolation und ohne Austausch der eigenen Gedanken mit anderen, seine einzige Bezugsquelle – das Leben des Anderen – als Realität erscheinen? Oder passiert das möglicherweise gar nicht: Er bewahrt sein Selbstgefühl ungebrochen und lebt in einem befremdlichen Niemandsland zwischen seiner eigenen Identität und der des Anderen. Im Verlauf des Projekts wird sich zeigen, ob Farid sein Selbstgefühl verliert und die Realität des Anderen übernimmt. Das Projekt bezieht Forschungen von Neurowissenschaftlern, kognitiven Verhaltenstherapeuten und Psychologen mit ein, die die 28tägige Ausstellung und die Dokumentation in Spielfilmlänge begleiten.

Farids Vortrag untersucht die domestizierte Struktur des Menschen. Erreicht und erfüllt der Einzelne die eigene Moral und die eigenen Werte, kann er sich glücklich nennen, sobald er, gemäß den vorgegebenen Parametern der Gesellschaft, ein gewisses Maß an Erfüllung erreicht hat. Die herrschenden – positiven – Gesetze prägen oder definieren eine Handlung, sozial, politisch und kulturell. Sie beschreiben die Einrichtung spezifischer Rechte des Individuums und des Kollektivs von Individuen, basierend auf der Vorstellung der Förderung von Glück, Erfüllung und Ordnung. Eher schafft das eine Fassade von Glück und Erfüllung: Durch den Besitz dieser Rechte entsteht eine Struktur des Glücks, und Erfolg oder Scheitern ist innerhalb dieser Struktur zweitrangig.

Mit seinem jüngsten Projekt Data Shadow, ein 30.000-£-Auftrag von Collusion in Zusammenarbeit mit dem Arts Council England, TTP und der Universität Cambridge sowie unter Verwendung der Fotos und iMessages der Teilnehmer will Farid untersuchen, wie der völlige Mangel an Privatsphäre, Anonymität und Sicherheit das Individuum beeinflusst und eine Illusion von Autonomie schafft, die einen falschen Glücksbegriff ermöglicht.

Die anfänglichen Versprechen des Internets kreisten um Individualität und Anonymität, wurden aber durch eine Konformität ersetzt, in der unsere Idiosynkrasien zur liebenswerten Neuheit geworden sind. Das neue digitale Zeitalter hat ein kapitalistisches Utopia geschaffen, mit minimaler staatlicher Regulierung, totaler Privatisierung und Globalisierung (und mit weiterem Wachstumspotential). Bezieht man die moderne Überwachungskultur mit ein, entsteht eine Gesellschaft, die auffallend an Aldous Huxleys Schöne neue Welt und Dave Eggers’ The Circle erinnert.