Bilder, die mit großer Sorgfalt erstellt werden, die sich durch eine präzise Materialwahl auszeichnen, bei denen eine inhaltliche Aussage mit dem technischen, fotografischen Prozess verknüpft ist und die dadurch eine inspirative Kraft entwickeln, werden nicht verschwinden. Das Papierbild als Artefakt wird weiterhin, vor allem im musealen Kontext und auf den Kunstmärkten, von Interesse sein. Das Ephemere, welches dieses Medium seit jeher auszeichnet und der davon ausgehende Zauber, werden überdauern. Bilder, die in anderen Kontexten als jenem der Kunst entstehen, unterliegen zusätzlichen, weitergreifenden Prozessen, denen zusehends etwas Undurchschaubares anhaftet. In meiner Arbeit als Kuratorin stellen sich mir vor allem Fragen, die unterschiedliche Formate betreffen: Wie und wo betrachten wir fotografische Bilder? Wie gestalten sich Diskurse darüber? Wo und auf welchen Plattformen, digital, auf Papier, ergibt es Sinn, erreichen sie Menschen? Darüber nachzudenken, wie Bilder entstehen, wie sie verteilt werden, wer sie betrachtet, wann und wo das geschieht, hat zusehends großen Einfluss darauf, wie sich meine kuratorische Arbeit weiter entwickeln wird.
Die materielle Basis der Fotografie hat sich im Zuge der Digitalisierung aufgelöst und obschon niemand mehr der Wahrheitsbehauptung der Fotografie Glaube schenkt, ist die Beschäftigung mit diesem Medium immer auch eine Verhandlung an den Rändern zwischen Authentizität, Indexikalität und Instrument zur Sichtbarmachung von wie auch immer gearteten Realitäten. Ein digitales Bild verfügt dabei ebenso über eine spezifische Materialität, wie ein Print. Ich bin versucht, von Bildern zu sprechen, wenn ich über Fotografie nachdenke, und an das Fotografische, wenn ich über Bilder nachdenke. Die Fotografie verändert sich in rasantem Tempo und reizt die Grenzen verschiedener Felder aus: Computertechnologien, die Verarbeitung von Daten und die Verbindungen von Netzwerken. Seit die digitale Fotografie die Rahmenbedingungen aufgelöst hat, sind die Veränderungen und Ausformulierungen immer weniger voraussehbar. Ging es vor dem Beginn des digitalen Zeitalters noch darum, dass immer zwei Personen für ein Bild notwendig waren, nach Ansel Adams der Fotograf und der Betrachter, hat die Anzahl der in das Fotografische eingebundenen Personen zugenommen. Nicht alle diese Personen, oder nennen wir sie Größen, sind für uns als Rezipienten gleichermaßen sicht- oder erfahrbar: Taylor Davidson beschreibt die Zukunft der Kamera nicht mehr als Gerät, sondern als App, als eine Software, die Daten von unterschiedlichen Sensoren sammelt.
Viele der bereits jetzt von uns verwendeten Instrumente sind mit Satelliten verbunden und übermitteln GPS-Daten, während wir online sind, und verlinken ebendiese mit Informationen, die beispielsweise auf Plattformen wie Google bereits vorhanden sind. Wenn wir uns jetzt vorzustellen versuchen, wie Stephen Mayes in einem im vergangenen Herbst publizierten Artikel des Time-Magazins skizzierte, in welche Dimensionen sich die rechengesteuerte Bildsprache entwickeln kann, wird nachfolgend deutlich: Durch die Kombination von LIDAR- Daten, die Gesichter und Objekte auf Bildern wiedererkennen, und die neuen Technologien wie etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz, ergibt sich ein schwer vorstellbares Geflecht unterschiedlicher Größen, die aktiv und passiv Bilder generieren, verteilen und verwerten. Verstärkt verzweigen sich in Zukunft die Wege von Bildern von ihrer Entstehung bis zu ihrem Weiterleben. Eine Möglichkeit über Fotografie nachzudenken wäre, ihr weiterhin die Rolle des Stellvertreters oder Repräsentanten zuzuschreiben, als indexikalischen Verweis von etwas, das sich draußen befindet. Die technologische Landschaft verändert aber die Spielregeln: Die Grenzen zwischen eigenen und über Algorithmen erzeugten Bildern und vor allem die Zusammenhänge unterwandern unsere Erwartungshaltung und begrenzen den Einfluss, den wir auf ebendiese Zusammenhänge haben.