Landschaftssehen. Das ist etwas, was mit anderem Sehen unvergleichlich ist, weil es eigentlich sehr den Charakter von gewahr werden hat. Also vernehmen, was auch atmosphärisch und stimmungshaft da ist.
Beobachten wir in der Landschaft oder was machen unsere Blicke, wenn wir uns in der Landschaft bewegen? Lassen wir den Blick schweifen? Was ist vielleicht anders am Sehen von Landschaften als beim Sehen von Personen oder wenn wir durch das Mikroskop gucken? Was ist besonders bei der Landschaft? Wie funktioniert eigentlich da das Sehen? Das war eine Frage, die uns gekommen ist, als wir über dieses Thema, Inszenierte Landschaften, nachgedacht haben.
Zunächst fällt einem ja ein: in der Landschaft lassen wir unsere Blicke schweifen. Oder wir sagen, wir nehmen etwas wahr, aber doch irgendwie nicht so intentional gesteuert. Wie bei einer Beobachtung. Eine Beobachtung hat ja sehr stark den Charakter des Fokussierenden. Und in der Landschaft, da gehen unsere Blicke über die Oberflächen hinweg.
Vor allem im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert wurde es in der Landschaftsmalerei so aufgefasst, dass in gewisser Weise die Landschaft oder das Arrangement oder das Zusammenspiel von Kultur und Natur ein Spiegel von Stimmungen, von Überzeugungen, von Eindrücken und von bestimmten Erfahrungen ist. Im Grunde sind das Projektionen von bestimmten Emotionen.
Die Landschaftsmalerei versucht, diese Emotionen in Form einer Gestaltung der Natur darzustellen. Einerseits bedeutet Landschaft, einen Ausschnitt zu nehmen aus der größeren umgebenden Natur, andererseits bildet dieser Ausschnitt aber eine gewisse Einheit – und zwar eine Einheit, die in gewisser Weise typisch ist. Man könnte sagen, es gibt touristische Aussichtspunkte oder Blickpunkte, in denen sozusagen das Auge sozial und kulturell geformt wird, wie man in die Landschaft zu gucken hat – wie man eine Landschaft zu identifizieren und wiederzuerkennen hat. Während gewissermaßen bei der Kunst der Versuch gemacht wird, Landschaften darzustellen und auch etwas zu entdecken oder neu sehen zu lassen, was man bisher in diesen sozial getypten Landschaftswahrnehmungen nicht gesehen hat.
Michael Schnabel hat in seinen Nachtaufnahmen versucht, die Ruhe oder Stille der Berge einzufangen und diese Landschaft in einer neuen Perspektive zu sehen. Er macht damit eine neue Erfahrung – die man mit der Landschaft haben kann – deutlich. So schwankt im Grunde bei der Landschaftswahrnehmung oder bei dem Landschaftssehen unser Auge sehr häufig zwischen sozial getypten Bildern und sozial getypten Blicken auf der einen Seite, und auf der anderen Seite den ungewöhnlichen oder überraschenden oder neuen Perspektiven, mit denen wir eine Landschaft durch das Sehen oder mit dem Sehen erkunden.
(Textauszug aus dem Redebeitrag)