Axel Hütte

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Axel Hütte

The thinking eye – Das denkende Ich

Ausgangspunkt meiner Arbeit ist zuallererst die Rezeption von Wirklichkeit, die Umsetzung in ein Bild, welches wiederum rezipiert wird. Es gibt ein schönes Statement von Gerhard Richter, dass er tausend Bilder im Kopf hat und sie verwirft, bevor er ein Bild malen kann. Nun – die Entscheidungsprozesse laufen bei Künstlern häufig ähnlich ab. Die Quote 1:1000 ist für mich nicht außergewöhnlich. Cees Noteboom schrieb einmal in einem Vorwort: »Man kann stundenlang auf dem Amazonas fahren oder tagelang durch die Australische Wüste. Landschaften, die für den oberflächlichen Betrachter eine Aneinanderreihung des Immer Gleichen sind. Eine Aneinanderreihung von Unveränderlichem und Eintönigem. Doch irgendwo in all der scheinbaren Eintönigkeit liegt der Fleck, in dem stärker als in irgendeinem anderen das Wesen dieser Landschaft zum Ausdruck kommt.« Besser kann man dies nicht formulieren.

Allerdings ist nicht das Wesen, sondern das Rätselhafte oder Geheimnisvolle Ausgangspunkt meiner Fotografie. Doch der Ansatz des Innehaltens und des Schauens ist derselbe. Zum Nebelbild am Furkapass: Nach fünf Stunden mit eingefrorenen Fingern, die nicht mehr die Kamera abbauen konnten, habe ich endlich zwei Aufnahmen, die meiner Vorstellung entsprachen. Gesehen hatte ich jedoch tausend von Möglichkeiten. Beim Blick ins Tal wurde mir klar, dass dies mich absolut nicht interessierte. Doch die Blickversperrung durch den Nebel, der nur partiell Ein- und Ausblicke gewährte, fand ich faszinierend, da die Vorstellung des Raumes, der Tiefe des Raumes aufgehoben war. Diese Aufnahmen waren der Beginn der Serie der Nebelbilder. Die Vorstellung, die man im Vorfeld hat ohne dass man genau weiss, was man genau sieht, wird plötzlich in dem Moment erst realisiert, wo man das Bild sieht. Das kann trotzdem noch ein Scheitern beinhalten, dass das Gesehene interessanter aussieht als hinterher dann die Fotografie. Aber das Konzept ist schon, dass man das im vorab Bekannte bewusst vermeidet.

Bei allen Aufnahmen – den Nachtbildern und den Porträts – geht es um die Schärfung von Wahrnehmung oder um die Irritation von Wahrnehmung. Die gewählte Formatgröße richtet sich ausschließlich nach dem Motiv. Das heißt, dass die Bildstruktur letzen Endes die Größe vorgibt – innerhalb gewisser Parameter. Die Frage ist also eher die, ob die Fotografie nicht den Blick auf die Struktur verändert hat, um großformatige Abzüge anschließend herzustellen. Während also in der klassischen Fotografie (…) das zentrale Anliegen des Fotografen schon im Bild vorhanden ist, gibt es andere Ansätze, wo der Betrachter das Bild ergänzt, weil man erkennt, dass über ein Realitätsfragment erst der Betrachter synthetisch das Bild ergänzt. Wenn immer man glaubt, die Fotografie könnte auch als Briefmarke gedruckt werden, dann kann man definitiv sagen, sollte die Fotografie nicht anschließend 1,50×2,30 m sein. Da aber auf meinen Bildern nichts zu sehen ist, würde man auf der Briefmarke auch nichts sehen. Aus dem Grund gibt's wohl von mir noch keine Briefmarken.

(Textauszug aus dem Redebeitrag)

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