Sieht man sich die Entwicklung moderner Gartenarchitektur genauer an, stellt sich heraus, dass menschengerechte Funktionalität nicht ohne romantische Elemente auskommt. Der Ursprung menschlichen Daseins ist die Natur, und dieser Ursprung in seiner reinen Form ist für den Menschen etwas Bedrohliches, Gefährliches. Natur bedeutet Kampf ums Überleben. Es zählt die Suche nach Nahrung und Sicherung der Existenz. Der Wunsch dieser Seite der Natur auf Dauer zu entkommen, war der Auslöser für den menschlichen Zivilisationsprozess.
Aber der Mensch kann auf Natur trotzdem nicht verzichten. Er will es auch nicht, denn Natur bedeutet Befriedigung des Wunsches nach porentiefer sinnlicher Wahrnehmung, das heisst, der Mensch ist, trotz seiner zivilisationsbedingten Entwicklung, in seinem Kern ein natürliches Wesen geblieben. Um ein ausgefülltes und befriedigendes Dasein genießen zu können, bleibt er auf bestimmte Aspekte der Natur angewiesen. Der Garten war im Prinzip ein Gegenpol zu der Natur, ein eingefriester Raum als Schutz gegen die Gefahren der Natur, die wilden Tiere, die Pflanzen, der umhegte Raum – der Garten eben als Schutz gegen die Natur. Um auf diese Aspekte der Natur nicht zu verzichten, schuf sich der Mensch ein neues, für ihn idealtypisches Bild der Natur. Er macht sich den Garten angenehm, das Paradies, das Ideal eingezäunt – der Garten, der versierten menschengerechten Natur.
Betrachten wir unsere gebaute und natürliche Umwelt, so ist Komplexität das Schlüsselwort. Eine Komplexität, die sich mehr und mehr an den ursprünglich in der Natur entworfenen und bewährten Strukturen orientiert und Form annimmt. Die Bionik als neuer Wissenschaftszweig greift immer mehr in unsere räumliche Vorstellungswelt ein. Dabei besteht zweifellos ein Nutzen, der über klare Linien, elegante Wellenformen und linkische Bubbles hinausgeht. Grundformen wie sie der Klassizimus und die klassische Moderne uns gelehrt haben, werden dabei in Frage gestellt. Es gibt eine neue Weltanschauung. Es geht um eine neue räumliche Wahrnehmung, die alle Facetten des Lebens in eine individuelle Gestalt bringt. Moderne Gartenkunst hat nur eine Chance als solche erhalten zu werden, wenn mit ständigem Suchen und Finden neue Metaphern gebildet werden, die erstaunen, entzücken, beruhigen und beschleunigen ohne einer konkreten Ideologie zugeordnet zu sein. Moderne Gartenkunst sollte Emotionen wecken ohne in starren Bildern zu verharren.
(Textauszug aus dem Redebeitrag)