Ich habe die Serie Selfimages – 100 Women 1994 begonnen, weil ich es interessant fand, dass ich zwar Fotos von Menschen mache, Bilder die mir teilweise auch gefallen, auf denen sich die Leute aber selber meistens nicht gefallen. Das Problem kennt jeder Fotograf und komischerweise sind es eben gerade die besonders guten Bilder, auf denen sich die Portraitierten nicht gefallen. Trotzdem kann man als Außenstehender sagen, dass es ein gutes Bild ist. Und das, was hier bei dieser Serie geschehen ist, war so unglaublich. Die 100 Frauen sind total ausgeflippt, als sie ihre eigenen Bilder gesehen haben. Was mir vorher noch selten passiert ist. Ein Grund mehr, dass ich irgendwie absolut frustriert war nach dieser Serie, weil man das selber als Fotograf selten erreichen kann. Dieser Glücksmoment der Frauen, den sie da erlebt haben. Danach hab' ich erstmal Jahre lang nur Landschaftsfotos gemacht. Nach dieser Landschaftszeit hab' ich mich doch wieder an das Thema Mensch herangewagt. Ich hab' bei Null angefangen, Portraits zu machen. Und ich hab' eben auch aus biografischen Gründen immer ein Foto mit mir selbst gemacht.
Das ist dann bei manchen Shootings wirklich so, dass ich teilweise nur einmal draufdrücke, man muss auch verstehen, dass man manchmal auch nicht besonders viel Zeit hat. Ich habe oft schon gewisse Sachen vorbereitet. Teilweise fotografiere ich inzwischen auch in Kostümierung, aber ich habe da wirklich nicht viel Zeit, dieses Foto noch zu machen.
Also die sogenannten Prominenten lachen halt auch darüber. Es gibt natürlich auch mehr oder weniger humorvolle Menschen, das ist halt wie bei allen anderen auch. Aber Helmut Kohl fand das irgendwie ganz lustig. Ich mein auch die ganze Sache mit dem Geld auf dem Tisch. Ich muss dazu sagen, es war der Tag, an dem er den Spendenuntersuchungsausschuss hatte. Und ich war, glaub' ich, der einzige Fotograf überhaupt innerhalb einen halben Jahres, der ihn so persönlich fotografiert hat. Weil er überhaupt keinen an sich heran gelassen hat. Das Foto war für die Welt am Sonntag und es war sozusagen ein Interview, das er gerne haben wollte. Er war auch ganz gelöst und die Sache mit den Münzen findet er nicht per se lustig, weil er sie sammelt. Aber das ist das Tolle an der Fotografie, dass sie eben noch mehr zeigt und bestimmte Dinge plötzlich in einen anderen Kontext gelangen. Suzanne von Borsody. Das Foto ist eigentlich nur entstanden, weil, man muss es sich so vorstellen, ich hatte eine Fotoproduktion in New York mit ihr. Wir sind alle extra hingeflogen. Zwei Tage Produktion, es war für Gala-Style. Und die ganze Zeit war Suzanne plötzlich so ganz offiziell, im Gegensatz zu der ersten Produktion, die ich alleine mit ihr im Hotelzimmer gemacht habe. Ich war ja jetzt für Gala da. Und die Leute gucken einen als Fotografen ja doch immer sehr stark mit dem Hintergedanken an, für wen das Foto ist. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich für die Gala fotografiere oder für die Zeit oder ein anderes Magazin. Und ich glaub in diesem Fall war sie total blockiert und guckte halt so vollkommen offiziell. Völlig uninteressant für mich, weil ich hatte sie ja schon nackt im Bett fotografiert. Dann hatten wir eine Mittagspause. Da kam ein Student rein, dem sie versprochen hatte, dass er kurz ein paar Fotos machen dürfte. Wir hatten sowieso grad eine Pause, und plötzlich er kommt rein, packt die Kamera aus und macht die absoluten Wahnsinnsfotos von der Frau. Und da bin ich total durchgedreht. Also, ich war richtig sauer. Da meinte sie, um mich milde zu stimmen, na gut dann zieht sie sich jetzt nackt aus, und wir machen diese Bilder. So ist es zu diesen Fotos gekommen.
Es kann auch spannend sein, wenn man nur ganz wenig Zeit hat. Also es ist ganz toll, wenn man ganz viel Zeit hat, aber da finde ich man bräuchte dann drei Tage oder mehr, oder wochenlang, oder acht Jahre. Aber es kann ja auch super interessant sein, jemanden nur ganz kurz zu treffen. Und ich meine, die Kunst des Fotografen liegt natürlich in der Tat darin, dass man in dieser kurzen Zeit diesen Menschen in seinem Wesen erfasst, man kann ja auch eine kleine Wahrheit in einem Menschen entdecken, die der Mensch selber gar nicht kennt. Das finde ich z.B. einen ganz großen Reiz der Fotografie. Das ist eben das, was ich am Anfang sagte, dass es eben oft Bilder von Leuten sind, auf denen sie sich selbst nicht so gut finden. Aber das ist trotzdem ein gutes Foto. Das kann manchmal auch entstehen, wenn man Leute gar nicht kennt. Ich bin z.B. jemand, der sich von den Leuten nur so ganz rudimentär vorher, vor dem Termin, in Kenntnis setzt. Ich will eigentlich nicht alles über die Leute wissen. Meine Frau ist auch Fotografin und da sehe ich immer den Unterschied. Die hat, wenn sie jemanden fotografieren muss, sich 20 Bücher durchgelesen. Aber ich will das alles gar nicht wissen. Also ich will mir eigentlich mein eigenes Bild machen. Und will danach entscheiden, ob es gut ist oder nicht. Also ich glaube daran, dass es ganz spannend ist, auch mal nichts über jemanden zu wissen. Natürlich muss man gewisse Grunddinge vorher wissen, sonst macht man sich ja zum Idioten. Man muss schon wissen, wer das ist, den man da fotografiert. Aber der Rest ist nicht so wichtig, und ich glaube, dass da sehr viel Blockade entstehen kann, wenn man zuviel weiß.
Das waren alle Chefärzte der Charité in Berlin. Dieses Foto war ein Wahnsinnsding. Es hatte ein halbes Jahr Vorlauf gebraucht, um dieses Foto zu organisieren, weil sie alle gar keine Zeit hatten. Und da hab' ich so einen kleinen Trick gemacht. Es wäre unmöglich gewesen – alle waren ziemlich schlecht gelaunt – wenn ich erst erklärt hätte, was ich für ein Lebensprojekt mache, dann wären die schon sauer und wären weg gewesen. Deshalb hab' ich vorher zu meinem Assistenten gesagt, ich gehe einfach nach vorne. Ich bin zu Ihnen nach vorne hingegangen und hab' einfach nichts gemacht, hab' nur so geguckt. Und da haben die alle nicht gewusst, was ich da mache. Und im dem Moment, so habe ich mit meinem Assistenten besprochen, hat er dann draufgedrückt.
Peripher zu dieser Arbeit mit den Prominenten, interessieren mich ja wahnsinnig die Leute auf der Straße. Allein wie ich heute auf dem Bahnhof war. Oder gestern, ich gehe auch gerne in solche Kaufhäuser und guck' mir einfach Menschen an. Und überlege die ganze Zeit, wie man das alles noch toller fotografieren könnte. Weil die Leute natürlich alle schnell vorbei gehen. Aber ich bin nicht so fixiert auf Prominente. Ich find' die Mischung spannend. Ich find' den Beruf des Fotografen sehr spannend, weil man in sehr viele unterschiedliche Welten hineinkommt. Man ist so ein bisschen Chamäleon-artig. Man stellt sich immer stark auf die Leute ein, die man fotografiert, aber auch auf das Magazin. Und am Ende, wenn man da nicht aufpasst, bleibt so ein Patchwork zurück. Zum Beispiel haben mir meine Fotomappen nie so richtig gefallen. Das war einer der Gründe, warum ich mich dann eigentlich selber dazugeselle, weil es dadurch eine gewisse Klammer bekommt. Und dass es so im Grunde ein Werk ist. Weil wenn ich das sonst nicht gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich schon längst damit aufgehört. Da hätte ich sicherlich, nur viel stringentere Aufträge angenommen, die alle nur einem Ziel dienen. Und so war es in den letzten Jahren für mich sehr spannend, eben die unterschiedlichsten Aufträge anzunehmen, auch wenn sie teilweise völlig blödsinnig waren. Aber es war dann oftmals, dadurch dass ich mich dann mit fotografiert habe doch nicht umsonst.
Alfred Biolek. Das war insofern ganz toll, als dass es jemand war, der auch sehr mitgedacht hat. Wir sind extra an seinen Kleiderschrank gegangen und haben geguckt was er denn anziehen könnte. Weil oftmals ist es ja so, die Leute haben auch einfach keine Lust oder auch kein Interesse an Fotografie. Weder sich irgendwas besonderes dafür anzuziehen noch sich irgendwie darüber Gedanken zu machen, wo man das Foto macht. Ganz schrecklich ist auch, wenn man irgendwo hingeschickt wird, man soll um 15 Uhr da oder da sein. Natürlich muss man dann da sein, wenn das Licht gut ist. Und ich gucke natürlich mit einigem Neid auf Fotografen, die eben sozusagen ihre freien Arbeiten machen. Die dann natürlich dahin gehen, wenn's dort gut ist. Aber das hab' ich halt selten. Ich habe dann beim Bundeskanzler z.B. nur drei Minuten Zeit für ein Titelbild, ein Aufmacher und ich wollte noch das Bild mit mir machen. Und in diesen drei Minuten muss es halt sein. Wenn dann die Sonne hinknallt, habe ich einfach Pech gehabt. Und das kann man oft den Redaktionen und auch anderen Leuten nicht erklären, dass es für gute Bilder besondere Vorraussetzungen braucht.
Kachelmann, das war ein Fotoshooting für die Bundesregierung. Und ich kam an und hatte diese ganzen Frösche dabei. Ich habe halt oftmals auch solche Sachen dabei, denn um ein gutes Foto machen zu können, muss man manchmal von der Idee her vollkommen übers Ziel hinausschießen. Also damit habe ich einige gute Erfahrungen gemacht. Auch bei vielen Fußballern z.B., weil die sich sowieso nur in ihren Klamotten fotografieren lassen, mit Gucci Schuhen und so weiter. Und wenn man da irgendetwas anderes will, muss man halt etwas fordern, was völlig utopisch ist, um dann wieder zu einem irgendwie interessanten Bild zurückzukehren. Hier war das halt so, dass ich mit den ganzen Fröschen ankam. Er fand es die dümmste Idee, die man überhaupt haben kann. Aber am Ende hat er auch erstaunlicherweise wieder mitgemacht.