Ich wurde 1959 geboren und begann eine Ausbildung als schreibender Journalist an der Journalistenschule in Utrecht. Doch schon 1980 fand ich heraus, dass schreiben nichts für mich ist. Ein Satz ist endlos im Gegensatz zur Fotografie. Man macht ein Bild, entwickelt und printet es und dann ist es gut oder schlecht. Einen geschriebenen Satz kann man immer wieder verändern. Ich fing mit Fotojournalismus an. Mein erstes veröffentlichtes Bild war von einem Bodybuilding Wettbewerb und zeigt sehr viel Erwin Olaf Typisches: es gibt ein Thema, den menschlichen Körper, der anonymisiert wurde und es zeigt, warum ich mich als Fotojournalist nicht mag: es gibt immer einen Mann im Hintergrund, der da eigentlich nicht sein soll. Das Bild sollte auch im Rahmen einer Ausstellung über den männlichen Körper in Amsterdam gezeigt werden, doch der Kurator ließ es im letzten Moment entfernen, da die Personen nicht nackt waren. Das brachte mir den ersten Skandal meiner Karriere ein, und ich hatte noch ein paar andere später, weil meine Modelle überraschender Weise nicht nackt waren.
Nach ca. 2 Jahren Streetphotography entdeckte ich, dass ich das echte Leben nicht mag und begann im Studio zu arbeiten. Zu dieser Zeit lernte ich Hans van Maanen kennen, einen Fotografen und Choreographen, den ich für eine Zeitung portraitieren sollte. Als ich zu ihm nach Hause kam, sah ich all die wunderbare Fotokunst bei ihm. Er brachte mir bei, mit der Hasselblad umzugehen und dass ein Studio nicht notwendigerweise mit 20 Lampen bestückt sein muss, dass eine Lampe und ein paar Reflektoren genügen. Wir sprachen sehr lange über Aktfotografie und Komposition im Quadrat. Daraus entstanden die ersten Studioarbeiten, die wiederum sehr stark von Robert Mapplethorpe und Paul Blanca beeinflusst waren.
1998 machte ich zum ersten Mal eine freie Arbeit. Hans van Maanen lehrte mich, dass es nicht nur zählt, ob man kommerziell arbeitet. Ich arbeitete bereits für Magazine und machte kleinere Kampagnen für Theatergruppen oder Werbung. Doch er mahnte, dass egal was ich tue, ich mir Freiräume im Leben schaffen sollte, um meine persönliche Fotografie zu machen, um neue Techniken, andere Themen auszuprobieren oder einfach nur um mich selbst auszudrücken.
Ein anderer Einfluss kam von Joel Peter Witkin, dessen Ausstellung ich 1987 im Stedelijk Museum in Amsterdam sah und es war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich war so beeindruckt von seinen Arbeiten. Im Gespräch mit Hans van Maanen darüber, wie ich nun weiter machen könnte, sagte er: »Jede Generation steht auf den Schultern der Älteren. Deshalb tu, was du tun musst, aber mach eines nicht und ritze in die Negative, so wie es Witkin macht.«
Die Serie Blacks wurde inspiriert von einem Satz aus einem Song von Janet Jackson: »Im Dunkeln sehen wir alle gleich aus. Es ist nur unser Wissen und Erfahrung, die uns trennen.« In dieser Serie habe ich das erste Mal mit anderen Leuten zusammen gearbeitet, mit Visagisten, Stylisten und Dummybauern. Das war der Weg, wie ich weiter machen wollte. Ich schaffe einen Rahmen und innerhalb dessen arbeite ich mit einer Gruppe von Leuten, die mich inspirieren.
Die Serie mit den Zigeunern war für mich persönlich sehr wichtig. Ich war zweimal vor Ort, zuerst um die Leute zu finden, die mit arbeiten wollten. Wir fanden schließlich ein kleines Dorf, wo bei der zweiten Reise fotografiert wurde. Ich habe mich dabei persönlich weiter entwickelt, denn ich hatte noch nie soviel Armut so nah an meinem eigenen Land gesehen. Umso bitterer war es, dass wir all diese Designobjekte hinbrachten, mit denen die Menschen posieren sollten und die sicherlich soviel wert waren wie ein Jahreseinkommen.
Werbefotografie kann sehr kreativ für meine eigenen Arbeiten sein. Von Anfang bis Ende der 80er hatte ich den Ruf, ein Homo-Fotograf zu sein, dann war ich ein ›Große Damen‹-Fotograf. Aber dann wollte ich etwas anderes machen. So entdeckte ich zufällig die Möglichkeiten von Photoshop und damit das Farbmanagement für die Serie Mature. Endlich konnte ich Hauttöne kreieren, denn bislang fand ich die Haut immer zu rot. Dagegen konnte ich nun exakt den Ton einstellen, den ich wollte.
Es geht im Foto um den entscheidenden Moment, die kleine Sekunde, die es wirklich braucht. Ich fotografierte eine Frau, eine Freundin von mir. Sie sagte: »Ok, ich werde für dich und nur für dich mit gespreizten Beinen posieren, nur für 5 Minuten. So lange hast du Zeit, dein Bild zu machen.« Sie setze sich hin, spreizte die Beine, es war wirklich ein sehr intimer Moment, dann stellte sie ihre Hand auf – Tack. Das war exakt das, was ich wollte. Ich liebe die Symmetrie, aber dann soll sie auch wieder gebrochen werden. Diese Handlung der Person kann man nicht vorher sagen, das kann ich als Fotograf nicht vorgeben. Es ist immer auch das Modell, das mich an der Hand nimmt und mich zu dem Bild bringt, das ich gesucht habe. Ich bin oft nur da, um die entsprechende Stimmung zu produzieren.
Wir wissen heute so viel über Photshop, über wegschneiden und retuschieren von Dingen, die nicht in den Bildern sein sollen und dennoch glauben die meisten Menschen immer noch das, was sie in den Bildern sehen. Ist das nicht wunderbar und gleichzeitig witzig? Was ich oder ein Journalist ihnen erzählt, oder was ich schreibe oder der Typ im Fernsehen erzählt – ja, wir glauben es! Es ist alles erfunden, auch die sogenannte ehrliche Dokumentarfotografie. Denn dort sehen wir die Wahrheit des Fotografen und nicht die wirkliche Wahrheit.
2000 wollte ich nach der Serie Mature mit den alten Damen eine Serie über die Jugend machen. Bei den vielen Go-Sees von Modellen in meinem Studio stellte ich fest, dass sie immer jünger wurden. Aktuell sind weibliche Modelle ca. 15 bis 18 Jahre alt, wenn man 21 ist, ist man bereits zu alt. Mich fasziniert immer wieder die Schönheit junger Menschen, sie sehen so fantastisch aus. Parallel wollte ich die Möglichkeiten von Photoshop ausreizen, so dass der Betrachter auf den ersten Blick sieht, es ist Fake. So entstand Royal Blood, über Persönlichkeiten, die ermordet wurden. Und auch hier ist es wieder der eine Moment, der entscheidend ist. Der Blick des Modells ist entscheidend. Ich kann großartige Ideen haben, Sets bauen und alles Mögliche machen, aber das wichtigste ist der Blick in den Augen des Modells. Wenn der Cäsar nicht Cäsar ist, wenn Sissi nicht Sissi ist und wenn das Modell nicht im richtigen Moment Jacky Kennedy ist, dann ist auf dem Bild nicht Jacky Kennedy, sondern ein 13-jähriges Mädchen mit einem Pillow-Box-Hut auf dem Kopf, das tut, was der Fotograf ihm vorgibt.
Es ist aber nicht nur so, dass die Werbefotografie mich für meine freien Projekte inspiriert, wie z.B. die Diesel Kampagne für die Serie Mature. Die weiß in weiß gehaltene Serie Royal Blood hat einen Art Direktor in Singapur dazu bewegt, mich anzurufen, nachdem die Serie während der Messe Paris Photo veröffentlicht worden war. Er wollte, dass ich eine politische Strecke produziere. Ich sagte zu, denn ich denke, dass ich all meine Freiheit, mich auszudrücken und ich selbst zu sein, größtenteils ein Verdienst der USA sind. Sie haben unsere Freiheit verteidigt, sie haben nach dem 2. Weltkrieg viel für mein Land und für ganz Europa getan. Meine Idee war, sehr lustige Bilder zu machen, um zu zeigen, wie witzig die USA sind und was für ein Glück unsere Freiheit ist. Ich fing an zu arbeiten und es endete in einem Desaster, da waren die vielen Modelle im Studio und nichts war wirklich gut. Ich machte ein Polaroid nach dem anderen und wurde immer unglücklicher mit dem Ergebnis. Nach ca. 10 Polaroids sagte ich zu den vier Modellen, die bislang lustig herum alberten: »Bleibt still stehen, macht nichts, ich teste nur das Licht.« Wir sahen, dass es das ist, was ich ausdrücken wollte, aber es waren noch zu viele Leute im Bild. Ich schickte Leute weg und hatte dann das, was ich wollte. Nur das Mädchen und den Jungen im Moment zwischen Aktion und Reaktion, so wie unsere Gesellschaft zu dieser Zeit war. Es ist der Moment, wenn z.B. dein Freund dir sagt, dass er dich nicht mehr liebt und bevor du etwas antworten kannst oder es realisieren kannst – das ist ein sehr spannender Moment. Es entstand die Serie Rain, die mit die teuerste Serie wurde, die ich bislang gemacht habe, da alles im Studio gebaut wurde. Doch ich liebe es, Träume zu erschaffen, meine eigene Traumwelt, denn ich mag die Realität nicht.
Nach Grief, Rain und Hope wollte ich etwas anderes machen, etwas in dem nicht soviel Gefühl ist. Denn in diesen drei Serien gibt es viel ›Heulen‹. Lustigerweise kam wieder der Zufall ins Spiel. Das Modell, das ich fotografierte, blinzelte als ich den Auslöser drückte. Eigentlich der schlimmste Moment in der Fotografie, aber ich war wirklich sehr fasziniert von diesem Bild und begann die Serie Fall für eine Ausstellung im Fotomuseum Den Haag. Witzigerweise erzeugt das Blinzeln doch wieder Emotionen, aber es ist eine ›Nicht-Emotion‹.
Meine aktuelle Serie Dusk von 2009 bezieht sich auf ein Buch aus dem Jahr 1900: Die Hamptons. In diesem Buch sieht man, wie Afro-Amerikaner von Weißen zu ›gutem Benehmen‹ erzogen werden. Es wirkt so seltsam, alle sind wie Tote angezogen, so steif. 1900 ist eine schwierige Zeit für mich, alles war so beengt. Die Fotos in dem Buch, wunderbar fotografiert, stammen von einer Fotografin. Auch das war mir neu, dass zu dieser Zeit bereits Fotografinnen so professionell arbeiteten. Als ich mir dagegen meine Arbeiten ansah, stellte ich fest, dass sie immer weißer und weißer geworden waren, was ich so nicht beabsichtigte, denn die Welt wird immer gemischter und bunter.