Gil & Moti leben seit über 10 Jahren in Rotterdam in den Niederlanden. Sie kennen die Diskussion, die es im Zusammenhang mit künstlerischem und sozialem Engagement gibt. An welchem Ort ist die Arbeit relevant und wo gehört sie hin? Sobald ein Künstler aus dem White Cube heraustritt, wird vieles was er tut mit einem gewissen Argwohn beäugt – man solle dorthin zurückzukehren, wo man hergekommen ist. Und doch zeigte sich ein Großteil der innovativen Kunst der letzten Jahrzehnte weit entfernt von konventionellen Galerien und Museen.
Künstler, die in der Grauzone zwischen Kunst und kulturellem Aktivismus arbeiten, entwickelten neue Formen der Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit und mit Kommunen. Rotterdam ist eine Hafenstadt in der viele Menschen kommen und gehen, soziales Engagement ist eine wichtige Basis für die Arbeit vieler Rotterdamer Künstler geworden, von denen Jeanne van Heeswijk, Bik van Der Pol und Joep van Lieshout weithin bekannte Beispiele sind.
In Available for You sehe ich eine Untersuchung, die zunächst unschuldig und großzügig zu sein scheint, jedoch auch das komplexe Thema des Zusammenlebens auf eine intelligente und vielschichtige Weise anspricht. Die postmoderne Stadt wird auf sozialer und kultureller Ebene immer kontrastreicher. Natürlich ist es eine gastfreundschaftliche Geste, dass Gil & Moti ihren arabischen Nachbarn ihre Dienste kostenfrei anbieten und dies im Zusammenhang mit Worten wie ›geben‹, ›teilen‹ und ›lieben‹ verstehen. Dennoch hat es auch etwas Beunruhigendes an sich, wenn man sich bewusst macht, dass die soziale Wirklichkeit, in der ihr Projekt stattfindet, häufig mit ganz anderen Begriffen, nämlich ›Ablehnung‹ und ›Misstrauen‹ in Verbindung steht.
Der Gegensatz, dass letztlich mit Hilfe der guten Absichten der Künstler der dilemmatische Kontext visualisiert wird, schafft meiner Meinung nach neue Sichtweisen auf gesellschaftliche Positionen. Die Portraitaufnahmen von Mohamed, Mahir und Bouchra, mit Gil & Moti an ihrer Seite, sind symbolisch aufgeladen: Die freundlich lächelnden, identisch gekleideten jungen Männer sind im Foto die Außenseiter; während im täglichen Leben genau das Gegenteil der Fall ist. Das eher slapstick-hafte Video, in dem Gil & Moti die Mauer im Garten von Bouchra mit von ihr gestalteten Dekorationen bemalen, ist skurril und lustig und beleuchtet gleichzeitig eine aufgeladene Debatte.
Für Gil & Moti ist es wesentlich, dass Available for You als ein ernsthafter Versuch von zwei israelisch-holländischen Künstlern gesehen wird, den eingewanderten arabischen Mitmenschen die Hand zu reichen und als seriöses Bestreben, den künstlerischen Diskurs auf andere Bereiche in der Gesellschaft auszuweiten. Viele Immigranten beginnen ihr holländisches Leben in Südrotterdam. Wie Gil & Moti beobachten, kämpfen sie Tag für Tag hart um einen Platz in der holländischen Gesellschaft und im weitesten Sinne auch in der europäischen.
Gil & Motis Tagebücher, Notizen von Unterhaltungen, Videos und Fotos erzeugen ein einnehmendes Portrait dieser Menschen und es wird sofort klar, dass die Anbindung an die (holländische) Gesellschaft ein alltägliches Thema für sie ist. Der Juwelier Mahir ist besorgt darüber, dass er immer noch nicht Ebene 2 erreicht hat (das ist die sprachliche Ebene, die für einen holländischen Pass Voraussetzung ist), der Optiker Mohamed kämpft mit seiner Gesundheit und Bouchra wird bei ihrer Arbeit als Kursleiterin immer wieder mit unerwarteten persönlichen Fragen konfrontiert. Die Kraft von Available for You liegt im Alltäglichen, im kleinen Rahmen.
Gil & Moti haben während der drei Monate, die sie in Südrotterdam gearbeitet haben, viele Menschen getroffen – auf dem Afrikaandermarkt, in den Geschäften auf dem Groene Hilledijk, im ’t Gemaal bei einem guten israelischen Frühstück – und doch ist das Projekt keine umfassende Untersuchung geworden, an der große Gruppen teilgenommen haben. Das Projekt war eher persönlich und präzise, so dass die Kontakte auch nach der Ausstellung im ’t Gemaal weiter bestehen. Große (makro-)politische und soziale Themen werden auf einer persönlichen (mikro) Ebene analysiert. Und indem persönliche Erfahrungen über allgemeine Thesen gestellt werden – ›Du‹ anstelle von ›Ihr‹ – wirft Available for You die Frage auf, was es denn bedeutet eine Gemeinschaft zu bilden, wer dazu gehört und wessen Meinung dabei eine zentrale Rolle spielt.
(Mariette Dölle)