Symposium 2012
Bildspuren – Unruhige Gegenwarten

Ursus Wehrli

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Ursus Wehrli

Kunst aufräumen

Der Züricher Künstler und Kabarettist Ursus Wehrli war beim Symposium der Darmstädter Tage der Fotografie mit einem Videobeitrag vertreten. In einem 25-minütigen Film präsentierte er auf humoristische Weise seine ganz eigene Art die Welt zu ordnen. Wehrli ist gelernter Typograf. Seit 25 Jahren tritt er neben seinen Kunstprojekten zusammen mit Nadja Sieger erfolgreich als Kabarett-Duo Ursus und Nadeschkin auf und wurde in dieser Konstellation mehrfach ausgezeichnet. Als bildender Künstler hat er sich dem Aufräumen verschrieben. Nachdem er zunächst in dem Projekt Kunst aufräumen Reproduktionen bekannter Bilder zerschnitt und neu, aber geometrisch geordnet, zusammensetzte, sortierte er in seinen Folgeprojekten Noch mehr Kunst aufräumen und Die Kunst, aufzuräumen ganze Szenen und Zusammenhänge der Lebenswelt.

In dem extra für das Symposium neu produzierten und erstmals ausgestrahlten Film präsentierte Wehrli auf einer Art Bühne und unter Einbezug des Darmstädter Publikums die besten Ideen aus seinen drei Büchern. Werke der Bildenden Kunst dividierte er zunächst zu einzelnen Elementen auseinander, um sie nach Farben und Formen neu sortiert auf Papier zu bringen. Das Bild Farbtafel Qu I von Paul Klee wurde rigoros »aufgeräumt«, indem er die einzelnen Quadrate nach Farben aufteilte und sorgfältig übereinander formierte. Ähnlich verfuhr Wehrli mit The Gold of the Azure von Joan Miró oder mit Roter Fleck II von Wassily Kandinsky.

In einem kurzen Chaos-Test mit dem Publikum, erläuterte der Kabarettist die praktischen Seiten aufgeräumter Kunst. So hätten sowohl Kunsthistoriker als auch der Künstler selbst einen besseren Überblick über die Verwendung von bestimmten Formen und dem Verbrauch einer bestimmten Farbe. Schließlich präsentierte er als Konsequenz seiner Methode ein Diagramm, das den Farbverbrauch eines Werkes demonstrierte. Wehrli verblüffte das Publikum weiterhin mit aberwitzigen Einfällen für einen geordneten Tagesablauf und aufgeräumte Zimmer und amüsierte die Besucher des Symposiums mit einer Ausweitung seiner »Aufräum-Manie« auf Partituren, Gedichte und Straßenbahnnetze. Die Noten und Zeichen von Für Elise von Beethoven wuchsen nun fein säuberlich gestapelt vom unteren Bildrand empor. Die Worte aus dem Gedicht Heidenröslein von Johann Wolfgang von Goethe reihten sich in der Anzahl ihrer Verwendung aneinander und das Straßenbahnnetz Wiens ist zu geraden Linien, zusammengerafften Haltestellenpunkten und hintereinander aufgezählten Stationen mutiert. Mit den Worten: »Also ich finde es hat eigentlich nur Vorteile. Also Sie sehen, man muss nicht mehr umsteigen. Die Haltestellen sind nahe beieinander.« erklärt er seinen Versuch zu Ordnen zur sinnvollen Maßnahme für die Stadt Wien.

Schließlich steigerte sich sein Hobby zu aufsehenerregenden Kunst-Aktionen im Außenraum. Er stellte beispielsweise bei einer Schale Pommes eine neue Ordnung her oder sortierte einen ganzen Parkplatz oder eine Fußballmannschaft nach gleichartigen Elementen. Innerhalb seiner Versuche Kunst effizient zu strukturieren, stieß Wehrli auch auf Werke, die sich nicht so einfach nach seinem Ordnungsprinzip zerlegen ließen. Er entwickelte deshalb weitere Methoden am Rande der Absurdität und reduzierte die Bilder gewissermaßen auf ihre Essenz. Van Goghs Sonnenblumen endete in der Abbildung einer Flasche Sonnenblumenöl und eine Zeichnung von Egon Schiele wurde zum fein säuberlich aufgefädelten Bindfaden. Seinem Erfindungsreichtum waren keine Grenzen gesetzt und das Publikum staunte bei jedem Werk neu.

Ursus Wehrli eröffnete eine neue Sichtweise auf die Kunst und unsere Lebenswelt. Ob seine Aktionen nun immer sinnvoll waren oder nicht, das bleibt zweitrangig. Nur Spaß muss es machen und Ordnung ist eben das halbe Leben!