Ist es heutzutage möglich, eine Trennlinie zwischen den Ausdrucksformen der Fotografie, der Malerei, dem Video und anderen Medien zu ziehen? Welche Bedeutung hätte eine solche Trennung und worauf würde sie hinauslaufen? Davon ausgehend, dass die Sprache der Kunst einen intermedialen Charakter hat, stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Sinn hat, eine solche Grenzlinie zu ziehen.
Über ihre Funktion der Beschreibung von Gegenständen und Szenen des Alltags hinaus besteht die Rolle der Fotografie seit langem – besonders seit den 60er Jahren – darin, die verschiedenen Denk-, Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen gegenüber der sichtbaren Welt auf ihre Gültigkeit zu befragen. Ansichten aus der persönlichen Umgebung, die Existenz- und Verhaltensweisen in Frage stellen, politische und soziale Fragen aufwerfen, sowie Aspekte zum Status des Bildes und der fotografischen Darstellung als solcher beleuchten, haben weltweit die Kunstszene bereichert. Darüberhinaus hat die Fotografie seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts unterschiedliche Territorien erobert und sich als eine der zahlreichen künstlerischen Ausdrucksformen erwiesen. Durch den Kontakt mit anderen Ausdrucksmitteln und -medien mit anderen Zeichensystemen und Formen, werfen der diskursive Reichtum und die Komplexität der Sprache der Fotografie eine Reihe von Fragen auf, die von den Form- und Ausdrucksmerkmalen als solchen bis zum Verhältnis der Fotografie zu subjektiven Aspekten reichen, die die sichtbare und indexale Ebene des Prozesses herausfordern.
Von diesen Fragen ausgehend ist es Ziel des Vortrags, die zeitgenössischen Arbeiten von 10 deutschen Künstlern vorzustellen, die die fotografische Sprache in ihren verschiedenen Nuancen beleuchten. Anhand dieses Werke- und Autorenrepertoires beabsichtigt der Vortrag eine Reflexion zur Figuration im Sinne von Gilles Deleuze anzustoßen.
Die Auswahl der vorzustellenden Arbeiten geht nicht auf eine ästhetische Beurteilung zurück, sondern ist von dem Interesse getragen, die konzeptionellen und ästhetischen Ansätze zu untersuchen, denen die fotografische Produktion der Gegenwart nachgegangen ist. Die Auswahl, die gezeigt werden soll, umfasst Werke, die dem Muster der klassischen Fotografie folgen (wie z.B. die Arbeiten von Zurborn), sowie Werke, die eindeutig einen konzeptionellen und experimentellen Charakter haben (wie z.B. bei Schittny, Scholz, Mohné), die verschiedenen Fragen zum beschreibenden Charakter und zu den indexikalischen Grenzen der Fotografie aufwerfen. Diese Werke sollen als Anstoß dienen, über die Figuration und die Fabulation (Deleuze; sein Gebrauch von Fabulation geht auf Henri Bergson zurück) in der zeitgenössischen Fotografie zu reflektieren. Somit sind wir aufgefordert, über die fotografische Sprache als Beschreibungstechnik der sichtbaren Welt, die ›Wiedererkennung‹ fordert, nachzudenken.