Symposium 2014
Reflexion – Ästhetische Referenzen

Björn Siebert

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Björn Siebert

Die Eroberung des Nutzlosen – Über die befreiende Ästhetik von Amateurfotografie

Remakes

Die großen Bilderforen wie Flickr, Webshots oder Photobucket überschwemmen das Internet mit Amateurbildern von Privatpartys, persönlichen Urlaubseindrücken, Wochenendausflügen zu Sportereignissen und Handyschnappschüssen von Freunden im privaten Umfeld. Die Fotografen sind oft junge Menschen, die überwiegende Mehrheit im Alter zwischen 15–25 Jahre. Alles scheint ihnen abbildungswürdig, denn das Handy und die Digitalkamera sind schnell zur Hand.

Die meisten Bilder werden der Öffentlichkeit im World Wide Web durch kostenlose Bildarchive zugänglich gemacht. Indem sie einen Blick in ihr persönliches Fotoalbum erlauben, entwickeln die Fotoamateure aber nicht nur ein Bild ihrer individuellen Persönlichkeit, sondern auch einer kollektiven fotografischen Erfassung von Wirklichkeit, deren Motive ich in meinen Remakes dieser Internetbilder genauer untersuche. Dies geschieht durch den Akt der Reinszenierung, den ich bis ins Detail hinein vollziehe.

Das bedeutet im speziellen: Die Orte des Fotoshootings werden nach den Gegebenheiten des Originals hin ausgesucht, Kleindarsteller wenn nötig nach dem Aussehen her gecastet, Kleidung abgesprochen, Räume nachgebaut, Tapeten angefertigt, Positionen wie im Original eingenommen, Bildausschnitte festgelegt. Das Kreieren eines Remakes ist in meiner Arbeit ein integrativer Prozess. Ist das Remake gelungen, erlebt es eine Re-Genese außerhalb des Internets und wird in den Werkkatalog meiner künstlerischen Arbeit aufgenommen. Dabei kann und muss nicht jedes Detail ganz genau dem Original entsprechen, aber es wird dem Bild im Remake nichts Wesentliches hinzugefügt, genauso wenig, wie etwas ausgespart wird. Das einzige ›Mehr an Informationen‹ bleibt beim Abgebildeten, die neue Größe und die perfekte Oberfläche des Bildes.

Meine streng inszenierten Fotos tragen im Subtitel den Begriff Remake und verweisen mit diesem speziellen Begriff aus der Filmsprache auf die zentrale Bedeutung der Wiederholung für meine Arbeit. Der Akt der Reinszenierung, den ich bis ins Detail hinein vollziehe, wiederholt die erste, originale Inszenierung und befragt ihre Mechanismen. Indem ich versuche, das ›Wesentliche‹ der streng ausgewählten Schnappschüsse in meine Fotografien zu übersetzen, spüre ich einerseits dem Geheimnis und der Zeichenhaftigkeit der Amateurbilder nach, andererseits verleihe ich den Verdopplungen durch den Verlust des Originals und des Entstehungskontextes ein Eigenleben. Durch die Übersetzung von Motiven aus der Populärkultur und der Alltagserfahrung in perfekte Fotografien und ihre Präsentationen im Kunstkontext möchte ich auch Fragen nach dem Verhältnis von Differenz und Wiederholung, Amateurfotografie vs. inszenierter Fotografie, über Autorschaft und Originalität aufwerfen.