Symposium 2014
Reflexion – Ästhetische Referenzen

Gerhard Schweppenhäuser

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Gerhard Schweppenhäuser

Fotografie und ästhetische Reflexion

Bezeichnete das Wort ›aisthetis‹ ursprünglich die Sinneswahrnehmung, so steht der philosophische Begriff der Ästhetik heute für Reflexionen, die sich auf Kunst beziehen. Darüber hinaus ist Ästhetik aber auch ein Oberbegriff für all die Weisen geworden, wie wir uns in ästhetischer Einstellung die Wirklichkeit erschließen. ›Ästhetik‹ ist also die begriffliche Klärung der Grundlagen der ›ästhetischen Erfahrung‹. Sie beschreibt unter anderem, wie die Sprachen der Kunst menschliche Bedürfnisse artikulieren und vergegenwärtigen – im Darstellungsmodus ihrer Erfüllung (›Schönheit‹) oder ihrer Frustration (›Hässlichkeit‹).

Ästhetische Erfahrung kann handlungsentlastet und kontemplativ sein; sie kann aber auch Lebens- und Handlungsbezüge besitzen oder sich reflexiv auf Form und Imagination der Gegenstände unserer Anschauung beziehen. Derartige Erfahrungen werden aber nicht nur durch Kunstwerke ermöglicht, sie finden auch in Natur und Alltag statt. Sie sind durch Medien vermittelt, die nicht mehr ausschließlich als Teil eines privilegierten Kunstrituals aufgefasst werden.

Im Vortrag wird zunächst der Begriff der Ästhetik erläutert, und anschließend werden drei Modelle der ›ästhetischen Einstellung‹ vorgestellt. Anhand dieser Modelle werden zwei Pressebilder analysiert: eines, das einen Schauplatz der Ohnmacht zeigt, und ein anderes aus dem Zentrum der Macht. Dabei werden verschiedene, oft gegensätzliche Theorien des Ästhetischen herangezogen:

Der Semiotik geht es um das Bilder-Lesen. Fotografien erscheinen zwar wie ›Botschaften ohne code‹, die lediglich denotieren und daher als ›besonders glaubwürdig‹ gelten; tatsächlich funktionieren sie aber nur aufgrund ihrer ›denotiert-konnotierten Doppelstruktur‹ (Roland Barthes). Jedes Foto denotiert manifeste Bedeutungen und konnotiert latente Bedeutungen. So entstehen visuelle ›Mythologien‹. Indem die textartige Struktur der Bilder entziffert wird, kann ihre Magie gebrochen werden. 

Die Phänomenologie hingegen untersucht die Grundlagen des Bild-Erlebens. Was ist das Bildhafte eines Bildes? Was unterscheidet es von anderen, nicht-bildlichen Zeichen? »Wer sich rein in ein Bild hineinschaut«, schrieb Husserl »hat im Bild selbst die Vergegenwärtigung des Objekts«. Phänomenologie beschreibt die perzeptiven Vorgänge an der visuellen Basis, Semiotik entziffert die kognitiven Konstruktionen des visuellen, kulturellen Überbaus. Ideologie- und Medientheorien wiederum fragen nach der gesellschaftlichen Funktion der Bildmagie. Zeichen beruhen auf Konventionen und müssen gelesen werden, Bilder entfalten größere, unmittelbare Wucht, weil sie einen sinnlich erlebbaren Abglanz des Objekts transportieren. Die Basis der Bildwirkung ist für Ideologie- und Medientheorien das Begehren auf der einen Seite und die Erzeugung sowie Bewältigung von Furcht und Schrecken auf der anderen.