Phillip Toledano

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Phillip Toledano

Maybe

Den größten Teil meines Lebens verbrachte ich im goldenen Glanz von Liebe und Privilegien. Ich hatte in vieler Hinsicht unvorstellbares Glück. Und untrennbar verbunden mit diesem strahlenden Tagtraum war die Illusion von Kontrolle.

Das beruhigende Gefühl, die Hand am Steuer zu haben, würde mich unweigerlich aufwärts führen, einer hellen, glänzenden Zukunft entgehen.

Der unerwartete Tod meiner Mutter am 5. September 2006 veränderte alles.

Ich dachte, Eltern seien für die Ewigkeit, aber als meine verschwanden, begriff ich, dass nichts ewig war. Für die meisten wohl offensichtlich, aber nicht für mich.

Plötzlich bekam die Zukunft einen endlichen Horizont. Sie wurde beängstigend. Eine Landschaft, die im Schatten lag, voller ungewisser Wege und unerwarteter Stürme.

Ich war verunsichert. Welche dunklen, plötzlichen Wendungen mochten noch vor mir liegen?

Statt hilflos auf die Zukunft zu warten, beschloss ich, mich mit meinen Ängsten zu konfrontieren.

Ich wollte versuchen, mein Schicksal vorwegzunehmen. Die möglichen abrupten, unvorhergesehenen Wendungen meines Leben zu erraten.

Mich als alten Mann sehen. Mir Scheitern und Einsamkeit vorstellen.

Unsichtbar sein. Nicht mehr laufen können. Fettsüchtig sein. Einen Schlaganfall bekommen. Mich verlieren. Zur Seite kippen, in die Bedeutungslosigkeit. Den eigenen Tod sehen.

Fotografie handelt immer von der Vergangenheit. In dem Augenblick, in dem ein Bild aufgenommen wird, liegt es schon hinter uns, ist Geschichte.

Dieses Projekt handelt von der Zukunft – aber wie erforschen, was noch nicht geschehen ist?

Ich ließ meine DNA auf wahrscheinliche Krankheiten testen. Ich suchte Wahrsager, Tarotkartendeuter, Numerologen und Handleser auf. Ich studierte Versicherungsstatistiken. Ich nahm Schauspielunterricht und lernte, mich wie ein alter Mann mit neunzig oder ein großer Mann mit Mitte fünfzig zu bewegen.

Schließlich machte ich in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Prothetiker Bilder auf der Basis meiner Forschung.

Und etwas Erstaunliches geschah.

Das Projekt wurde zum Exorzismus.

Durch die Konkretisierung verglühte die Finsternis und hinterließ ein Gefühl der Leichtigkeit, der Befreiung.