Monica Menez

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Monica Menez

The Curtain

»Wollen Sie diesen Vorhang wirklich kaufen?«, fragt die Verkäuferin Monica Menez. Die Fotografin ist sich absolut sicher. Die schrill durcheinander geratene Farbigkeit, der expressiv aufgetragene Pinselstrich und das wilde Muster sind das Scheußlichste, was sie je gesehen hat. Und genau deshalb will sie ihn haben.

Monica Menez hat Ehrgeiz: Sie will diesen grauenhaften Vorhang Teil eines harmonischen Ganzen werden lassen. Dafür kombiniert sie ihn mit einem ornamentalen Teppich und einem Sessel mit floralem Muster. Jeder der drei Einrichtungsgegenstände enthält ähnliche Farbtöne: Grün, Rosa, Lila und Weiß. Jeder wird bestimmt von der rhythmischen Wiederholung seines Musters. Die Stuttgarterin arrangiert die Einrichtungsgegenstände wie für eine Theaterbühne. In dieses Setting platziert sie ihr Modell, eine Frau. Die steht mit dem Rücken zum Betrachter – von Kopf bis Fuß in Muster verpackt – aufrecht und symmetrisch wie eine Säule vor dem Vorhang. Auffällig sind die grafischen und strengen Muster ihrer Kleidung: Große, weiße Punkte auf schwarzem Grund überziehen den Ganzkörperanzug, der Hände, Beine und den Kopf verhüllt. Kleine schwarze Pünktchen auf weißen Grund zieren die darüber gezogene Bluse, deren Design auch feine schwarzweiße Linien zeigt. Die weißen Teile der Ärmel und der Schulterpartie fügen sich zur Form eines Hufeisens zusammen. Alle visuellen Elemente im Bild – die expressiven, feinen, dicken, ornamentalen und grafischen Linien, Formen und Rhythmen – reagieren miteinander.

Ergebnis: Das scheußliche Muster des Vorhangs hat sich neutralisiert und ist Teil von etwas Schönem geworden. »Das hinzubekommen war sehr schwierig«, kommentiert Monica Menez ihre Arbeit. »Dafür habe ich lange experimentiert.« Die Fotografin lässt sich von ästhetischen Vorurteilen herausfordern und überwindet sie. Darin liegt ihre Fähigkeit begründet, immer wieder Ungewöhnliches und Neues zu schaffen. Um ihre Arbeit an Musterbildern fortsetzen zu können, schlägt die Fotografin dem Stuttgarter Modelabel Blutsgeschwister vor, den aktuellen Katalog in diesem Stil zu fotografieren. Die Blutsgeschwister sind einverstanden, sie schätzen den Stil von Monica Menez und ihre frischen, verrückten Ideen. Für den Katalog der Wintermode 2007 übernimmt Monica Menez das Setting der freien Arbeit.

Einige wenige Accessoires wie Kissen und gemusterte ›Funny-Leg Strumpfhosen‹ bezieht sie ins Shooting ein. Den symmetrischen Bildausschnitt und die strenge Bildkomposition behält sie annähernd bei. Das Model, das ›Blutsgeschwister‹-Mode trägt, platziert die Fotografin mittig vor dem Vorhang oder auf den Möbeln. Für den Katalog bearbeitet Monica Menez ihre Motive nach dem Shooting sehr aufwändig. Bei der freien Arbeit kann sie die Farben und Muster durch ihre Auswahl der Kleidung steuern, bei den Katalogbildern hingegen müssen die Farben der Umgebung an die Farben der ›Blutsgeschwister‹-Mode angepasst werden. Erst wenn alles in Balance ist, ist Monica Menez zufrieden. »Wenn man kurz mal einen Regler in Photoshop zieht, erzielt man diese Wirkung aber nicht«, sagt Monica Menez, »denn jedes Muster muss dafür einzeln von Hand bearbeitet werden.«

Schon in früheren Arbeiten spielte die Fotografin mit Mustern, optischen Täuschungen, Punkten und kaleidoskopischen Wiederholungen im Bild. »Es macht mir Spaß, immer noch mal eins draufzusetzen, ein Feuerwerk fürs Auge zu entwerfen«, beschreibt die Fotografin ihre Arbeitsweise.

(Ute Noll/on-photography.com)

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