Der Begriff der Naturkatastrophe definiert sich erst durch menschliche Existenz. Zerstörende Kräfte in der Natur sind essentiell für deren Entwicklung, nur wenn ein Naturereignis zur Zerstörung von menschlichem Leben und Lebensraum führt, wird es zur Naturkatastrophe bzw. zur Kulturkatastrophe. Die Interpretation von Naturkatastrophen hat sich mit der Entwicklung von Wissenschaft und Technologie geändert und Wissenschaft, Technologie und Philosophie haben sich durch Naturkatastrophen entwickelt. Sahen 1675 Priester noch den Jüngsten Tag gekommen nach einem Erdbeben in Christiania, formulierte Kant schon 1755 nach dem Lissabonner Erdbeben eine Theorie über die Entstehung von Erdbeben, einer der ersten systematischen Versuche, diese auf natürliche Ursachen zurückzuführen. Die Grundlage für Geografie und Seismologie wurde gelegt, religiöse Überzeugungen wie die der Theodizee hinterfragt und philosophische Richtungen wie die der Aufklärung beeinflusst. Laut Adorno transformierte das Lissabonerdbeben die europäische Kultur und Philosophie. Auch weiterhin haben Naturkatastrophen kulturelle und politische Konsequenzen, können, wie bei der Flut in Ostdeutschland durch Solidarisierung mit den Opfern zur Schaffung einer nationalen Identität führen, oder wie nach Hurrikan Katherina in New Orleans, soziale Mißstände verstärken und aufzeigen.
Im Mittelpunkt des generellen Interesses an Natur steht die Steigerung der Effizienz in deren Nutzung und Kontrollierbarkeit. Dabei führt das wachsende Maß an Einflussnahme durch den Menschen immer mehr zum Gegenteil, dem teilweisen oder völligen Verlust der Kontrolle, bis hin zur anthropogenen Katastrophe, der Umweltkatastrophe. Dadurch werden Zusammenhänge komplexer, es gibt eine direkte Korrelation zwischen Kultur und Natur. Längst sind dabei die Grenzen zwischen Natur- und Umweltkatastrophen fließend, Dürre, Fluten und Stürme sind keine neuen Phänomene, nur deren Ausprägung hat sich verändert. Diese Symptome üben eine Faszination aus, die proportional ist zu dem angerichteten Schaden, und bezeichnend ist für die Weise, in der wir Natur, uns und die Rolle der Wissenschaft wahrnehmen, darüber, was uns sowohl in den Bann zieht als auch beängstigt. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Verhältnis zwischen Naturkatastrophen und den der Definition von Gesellschaft dienenden Grenzen, Limitationen oder Kategorien: Definition und Trennung des Normalen vom Anormalen, Essbaren vom Ungenießbaren, Sauberen vom Schmutzigen. Wir sind abwechselnd fasziniert und verschreckt vom Zusammenbruch eines Teiles dieser Regeln und der von diesen suggerierten Sicherheit und Struktur, sowie der Möglichkeit des Kontaktes mit dem ›Anderen‹, mit dem, was außerhalb unserer geregelten Welt ist, bedrohlich und sich unserer Kontrolle entziehend. Kultur wird in vielen Weisen zum Symbol der Kontrolle über Natur – Natur wird das Andere, vor dem Gesellschaft, Wissenschaft und Technologie uns schützen sollen.
Der Übergang von der Wahrnehmung der Natur als sublimer Kraft zur gefürchteten, weil zerstörenden ist subjektiv undabhängig davon, ob die Erfahrung freiwillig und temporär ist, wie bei Katastrophentouristen oder Fernsehzuschauern oder aber erzwungen und zeitlich und in ihrer Konsequenz unabsehbar, wie bei den Opfern solcher Katastrophen. Obwohl zumindest indirekt beteiligt empfindet sich der Mensch, wenn nicht direkt betroffen, als losgelöster Zuschauer, der sich voller Faszination dem schönen Schauder hingeben kann, den zum Beispiel die wiederholte Betrachtung einer scheinbar alles verschluckenden Welle verursacht. Medien bedienen diese große Faszination für Beben, Feuer, Fluten und Stürme. Naturkatastrophen und ihre Konsequenzen für den Menschen werden in Filmen und Fernsehen zur Unterhaltung, wobei die den Medien inhärente Suggestion von Omnipräsenz nach authentischer bildlicher Darstellung der Katastrophe verlangt, nach deren Bezeugung. Da dies jedoch oft unmöglich ist, wird die aus der Abwesenheit resultierende fehlende Authentizität suggeriert durch sich wiederholende Präsentation von Amateurvideos oder, wie oft bei Erdbeben, von stark verwackelten Filmen von Überwachungskameras. Die so entstandenen Bilder dienen nicht wirklich der Information, dafür sind sie zeitlich und örtlich zu limitiert, sondern erzeugen Emotionen, von voyeuristischem Horror bis zur starken Solidarität mit den Opfern. Die von Naturkatastrophen verursachten Szenen des menschlichen Leidens, des Todes und der Zerstörung, sind vom größerem Interesse als Bilder von Kriegen oder anderen Menschen gemachten Desastern. Die Naturkatastrophe ermöglicht dramatische Szenen des menschlichen Mutes gegen den Hintergrund der plötzlichen und verhängnisvollen Zerstörung durch Erdbeben, Tornados und Fluten, die Bestätigung des letztendlichen Sieges des Menschen über die Natur, der Kultur über das Chaos. Ebenso schnell und intensiv, wie die Berichterstattung beginnt, endet sie auch bis zum nächsten Mal.
Mit der auf Gleichsetzung von Kultur und Ordnung sowie Natur und Chaos basierenden Ambivalenz im Verständnis und in der Wahrnehmung von Natur in der verdichteten Form der Naturkatastrophe befasst sich die Arbeit The Quiet of Dissolution. Trotz der komplexeren Definitionen von Grenzen zwischen Kultur und Natur, durch die sich verstärkenden menschlichen Einflüsse auf Natur und anthropogenen Ursachen von Naturkatastrophen, gibt es eine große Faszination dafür, was bedrohlich erscheint und außerhalb unserer Kontrolle. Es findet eine irrationale Überhöhung der Natur statt, sie wird mystifiziert, zum Wesen, das wütet, sich rächt, zurückschlägt, zum Gegner, der in die Schranken gewiesen werden muss. Wenn die direkte Gefahr vorüber ist, folgt dem meistens ein ebenso irrationales Verdrängen, ein fast vollkommenes Ignorieren des Vorhandenseins einer Natur und möglicher Risiken, wenn das Ziel ist, alles wieder so herzustellen, wie es vorher war, als wäre nichts passiert und könnte auch nie wieder etwas passieren, da Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft es nicht zulassen werden. Diese Ambivalenz zeigt sich in The Quiet of Dissolution, in Form ikonografischer, überhöhender Bilder von Katastrophen, eingefrorener Momente des Unvorhersehbaren, des Plötzlichen und Überwältigenden. Großformatige Fotografien von Modellen suggerieren Authentizität, um sie gleichzeitig durch die bildliche Ordnung und Kontrolle des Chaos zu hinterfragen, Mystifizierung wird nachvollzogen und gebrochen.