Julia Kernbachs Hauptinteresse gilt der wilden Vegetation, insbesondere den Wäldern. Durch ihre digitalen Bearbeitungen vermittelt uns die Künstlerin auf neuartige Weise ein Waldbild, das trotz oder gerade durch die Verfremdung der Realität nicht näher sein könnte. Das Dickicht des Waldes und seine Undurchdringlichkeit werden spürbar. Eine Dichte wird evoziert, doch ebenso werden die Arbeiten zu einer abstrakten Fläche und bestechen durch die dargestellten Strukturen. Diese formalen Strukturen sind es, die Julia Kernbach stets in ihren Werken herausarbeitet.
In ihrer Serie Viel Wald nimmt Julia Kernbach digitale Veränderungen vor. Sie verdichtet durch Schichtung und Verschiebung und webt das Gehölz des Waldes zu einem ornamentalen Teppich. Geisterhaft treten Bäume aus dem Nichts hervor, wie Erinnerungsbilder. Ein Bild vom Werden und Vergehen entsteht. Die Bäume scheinen sich zu bewegen, etwas Unheimliches, Geisterhaftes zieht sich durch die Fotografien. Vermutet man eine Vielzahl von übereinander gelagerten Abbildungen, so muss man verblüfft feststellen, dass lediglich die Zusammenführung zweier Abbildungen diese formale Dichte hervorruft.
Ein volkstümliches Sprichwort sagt: »Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.« Durch die Konzentration auf viele Einzelheiten verliert man den Blick für das Ganze. In den Arbeiten der Düsseldorfer Künstlerin verhält es sich genau umgekehrt, man erkennt den Wald als solches gerade erst durch den Fokus auf einen Ausschnitt mit einer Vielzahl an Bäumen. In der Mikrostruktur liegt bekanntlich auch die Makrostruktur.
(Marion Scharmann)