Der japanische Fotograf Izima Kaoru fühlte sich von den Ritualen und Erwartungen der Modefotoindustrie derart eingeschränkt, dass er sich dazu entschied, in die Welt der zeitgenössischen Kunst überzuwechseln, um sich selbst die Freiheit zu ermöglichen, die er brauchte. Seine Vergangenheit als professioneller Modefotograf zeigt sich deutlich in seinem Werk: Durch den gekonnten Einsatz von Farbe und eine geschickte Ortswahl schafft Kaoru betörend schöne Bilder. Allerdings von ironischer Schönheit, da im Fokus all dieser Bilder der Serie Landscapes with a Corpse (seit 1993) die Leichen attraktiver Models in Haute-Couture-Kleidern stehen.
Im Wesentlichen sind es exotische Mordszenen, denen Kaoru sich in einer ganzen Bildfolge widmet: Angefangen aus der Ferne und gewöhnlich in Vogelperspektive, aus der der Körper praktisch ununterscheidbar von der umgebenen Landschaft ist, bewegt er sich allmählich näher heran, bis schließlich die grausig zugerichtete Leiche das letzte Bild der Sequenz dominiert.
Bittersüß ist das beste Wort, um dieses Werk zu beschreiben, das ohne Frage von widersprüchlichen Elementen durchzogen wird. Den Opfern – den Models – wird tatsächlich die Wahl gelassen, wie sie sterben wollen, insofern sind sie involviert in die Ausgestaltung der Szene und die Darstellung ihrer Todesart – und als Ergebnis glücklich über ihren Tod. Schwarz ist die Farbe, die allgemein mit Tod assoziiert wird, aber Kaorus stark farbige C-Prints widersetzen sich dieser Tradition. Tatsächlich spielt Farbe in diesen sorgfältig konstruierten Bildern eine wichtige Rolle.
Hier findet Styling im großen Maßstab statt, nicht nur werden Location, ihre Atmosphäre, ihr visueller Eindruck sorgfältig ausgewählt, sondern auch ihre Farbpalette – Komplementärfarben im Überfluss. Weite fließende Landschaften, Inkunabeln zeitgenössischer Architektur oder imponierende Bauten der zivilen Technik sind als Setting große Gesten, die den Ort des Verbrechens zunächst erdrücken, beim Heranzoomen von Kaorus Kamera auf den Mord aber zunehmend zurückgenommen werden.
Mit Titeln wie Igawa Horuka wears Dolce & Gabbana (2003), Koike Eiko wears Gianni Versace (2004) und Erin O'Connor wears Vivienne Westwood (2006) werden wir beim Betrachten dieser Fotografien – die weit davon entfernt sind, Mord mit Glamour zu umgeben oder den Tod zu ästhetisieren, die dem Betrachter sogar eine Pause zum Nachdenken lassen – dicht in die Welt der Mode hineingezogen, und es drängt sich der ernüchternde Gedanke auf, dass die Linie, die Leben und Tod trennt, dünn ist. Ebenso wie Schönheit nur so dünn ist wie Haut, schwebt der Tod unterschwellig über unseren oftmals oberflächlichen Leben. Obgleich offensichtlich inszenierte Fälschungen, sind diese filmischen Bilder in ihrer Kinoästhetik unwiderstehlich anziehend und verstärken ihre Wirkung durch diese subtile Assoziation, ohne dabei übertrieben oder aufgeblasen zu wirken.
Kaoru gelingt eine feine Balance zwischen einem emotionsgeladenen starken Rand und der kitschigen Süße der Modefotografie und wie bei einer optischen Täuschung kann der Betrachter fast nahtlos von einer Fassung des Bildes zur anderen wechseln. Dieses Phänomen ist es, das Kaorus Fotografien eine bezwingende, magnetische Qualität verleiht.