Hans-Christian Schink

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Hans-Christian Schink

1h

Die Serie 1h ist ein Langzeitprojekt, bei dem ich mir den Effekt der so genannten echten Solarisation zunutze mache, der erstmals im Jahr 1857 von W. H. Jackson beschrieben wurde. Extreme Überbelichtung verursacht eine physikalisch-chemische Umkehrreaktion, wodurch eine Lichtquelle im Bild, in diesem Fall die Sonne, nicht weiß, sondern schwarz abgebildet wird.

Inspiriert wurde dieses Projekt durch das Foto ›Black Sun‹ des amerikanischen Fotografen Minor White aus dem Jahr 1955. Ein Zufall – der kurzzeitig wegen starker Kälte eingefrorene Kameraverschluss – führte dazu, dass die Sonne im Bild als schwarzer Punkt erschien. Ich fragte mich, ob es möglich sei, diesen Effekt gezielt und mit einer wesentlich längeren Belichtungszeit einzusetzen. Als Ergebnis erhoffte ich mir eine Darstellung des Phänomens Zeit in Bildern mit einer zeitlosen Ausstrahlung. Die Stunde als das gebräuchlichste Zeitmaß empfand ich als ideale Vorgabe für die Dauer der Aufnahme.

Mit den ersten Experimenten für diese Serie begann ich im Jahr 2002 und hatte ursprünglich nur eine Gruppe von fünf Aufnahmen aus der Mojave-Wüste geplant, die während eines längeren Aufenthaltes in Kalifornien im Jahr darauf entstehen sollte. Es dauerte dann allerdings zwei Jahre, bis ich nach vielen Fehlversuchen einen geeigneten Film gefunden hatte, da alle technisch hoch entwickelten SW-Filme den gewünschten Effekt nicht mehr aufwiesen.

In der Zeit dieser langen Experimentierphase entdeckte ich dann das Potential dieses Projekts, einerseits die Kombination verschiedener ›Kulissen‹ mit der ›Sonnenlinie‹, aber auch natürlich die Faszination, die vom variierenden Winkel dieser Linie an den verschiedenen Aufnahmeorten weltweit ausgeht. Dieser reicht vom fast horizontalen Verlauf im hohen Norden in der Periode der Mitternachtssonne bis zum beinahe senkrechten auf dem Wendekreis des Krebses am Tag der Sommersonnenwende.

Wichtig war auch die absolute Ruhe der dargestellten Landschaften, also möglichst völlige Windstille und das Fehlen jeglicher sonstiger Bewegung, vor allem das Vermeiden von Reflexionen vorbeifahrender Fahrzeuge. Ebenso durfte das Motiv nicht auf den ersten Blick wiedererkennbar sein, da sonst die Konzentration auf den unerklärbaren Fremdkörper im Bild gestört worden wäre.

Der ganz allgemeine gedankliche Ausgangspunkt für das Projekt war die Frage, ob es etwas wie eine besondere Wahrnehmung von Realität durch die Fotografie gibt, die sich rein mit den klassischen Möglichkeiten des Mediums darstellen lässt.

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