Erwin Olaf

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Erwin Olaf

Hope portraits

Wenn jemand die wichtigste Thematik in der Arbeit des holländischen Fotografen Erwin Olaf beschreiben sollte, dann ist es seine geschickte Art unsere ›bourgeoise Freiheit‹ als eine Illusion zu visualisieren. Eine Freiheit, die nur frei erscheint. Sie lässt die Außenstehenden außen vor: die Übriggebliebenen, die, die niemand einlädt, wegen ihrer Klasse, Rasse, sexuellen Vorlieben, Glauben, Eigenheiten, Aussehen oder jede andere Besonderheit, die die allgemeine kleinbürgerliche Meinung als unangebracht einstuft. Außerdem ist sie etwas, das beibehalten werden muss, um jegliche Art von Katastrophe zu verhindern. Es ist eine traurige Freiheit, die lediglich damit beschäftigt ist die Fassade zu bewahren. Diese Illusion der Freiheit trägt daher für Olaf verschiedene Ebenen der Verwundbarkeit auf beiden Seiten der Medaille; sowohl für die, die draußen bleiben müssen, als auch für die, die drinnen sind.

Olaf, ein wahrhaft freier Geist, begann seine Karriere als journalistischer Fotograf in den späten Achtzigern. Als er mit den Arbeiten von Mapplethorpe, Rauschenberg, Warhol, Lichtenstein und Joel-Peter Witkin in Kontakt kommt, ist er mit dem bloßen Ablichten nicht mehr zufrieden. Das ist der Moment, in dem Olaf Zeichen in der Gesellschaft hinterlässt mit provokativen Serien wie Chessmen, Blacks, Mature, Fashion Victims, Royal Blood, Paradise the Club, und Separation. Obgleich bewusst verstörend, erinnert es aber auch an Romeo und Julia von William Shakespeare, wenn Julia – nachdem Romeo gezwungen war im Morgengrauen zu verschwinden – folgendes sagt: »Fenster lass Licht herein und Leben hinaus«.

Der Zwischenraum

Mit dem tiefen Wunsch eine andere, optimistischere Gesellschaft zu zeigen, in der wir wirklich miteinander interagieren und uns trauen, das Unbekannte zu erforschen, wendet sich Olaf seiner Inspiration Norman Rockwells Illustrationen vom glücklichen Familienleben im Amerika der 50er Jahre zu. Aber als er an dem Konzept arbeitete, ließ er den glücklichen Teil fallen. Seit den Auswirkungen des 11. Septembers hat Olaf das Gefühl, dass die Welt Vorsicht diktiert und Argwohn nährt. Er empfand es als zwielichtig, einen Zwischenraum, in dem wir, weil wir mit dem Bösen konfrontiert wurden, mit Furcht in die Zukunft sehen. Unterwürfigkeit unter eine Form von Zensur, die wir freiwillig geschluckt haben.

In seinen neuen Serien Rain, Hope, Grief und Fall geht Olaf daran, die Illusion der Freiheit bloßzustellen.

Er stellt Szenen dar, in denen die paralysierende Hoffnung nach einem sicheren Leben jeden Wunsch, die vor uns liegenden Möglichkeiten auszukundschaften, zerquetscht. Besonders in Grief und Fall ist die Fähigkeit wirklich frei zu agieren traurig, bekümmernd abwesend, wogegen sie in Rain und Hope vielleicht noch potenziell anwesend ist.

Hope Portraits

Hope und Hope Portraits erzählen uns eine Geschichte von Beziehungen. Sie zu sehen heißt, einen Raum zu betreten, ohne zu wissen, ob man zu früh oder zu spät ist. Die Dame im Hope Portrait#1, 2005, sorgfältig angezogen mit einem grau-blauen Kleid, würde vielleicht gerne eine unzeitgemäße Meinung herausfordern, aber sie zwingt sich selbst still zu sein, weil man es nicht tut oder es unangebracht ist. Hope Portrait #3, 2005, zeigt eine Frau in ihrer Designer-Küche, mit ihrem neuen Sunbeam Mixer, Ikonen der Nachkriegs-Ära der Modernisierung, nur das kleine gelbe Band in ihrem Haar offenbart etwas von ihren verlorenen Kindheitsträumen. Das junge Schulmädchen in Hope Portrait #4, 2005, sieht nicht aus, als würde sie eine Herausforderung annehmen, selbst wenn ihr eine angeboten werden würde; Sie ist sich selbst ein großes Rätsel. Der weiße Tafelkreiden-Staub auf dem dunklen, wollenen Anzug des Schullehrers in Hope Portrait #6, 2005, wirkt wie Krümel von Verstörtheit und Desinteresse. Man hat den Eindruck, als ob er sich selbst dabei ertappt hätte, wie er sein edelstes Gedankengut für sich behält und vor sich selbst versteckt.

Der Ausdruck in dem Gesicht des Boxers in Hope Portrait #7 zeigt ein schwaches, aber trotzdem bestimmtes Nachlassen der Anspannung aus der Zeit, in der er im Krieg gegen die Mächte der Finsternis kämpfte. Im Hope Portrait #9, 2005 weiß der Junge mit adretten Aussehen tief in seinem Herzen über die Dinge, die er bewältigen muss, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass er den Kontakt mit der rauen Wirklichkeit nicht unverletzt überstehen wird.

(Fiona van Schendel, Autor, M.A. in Geschichte)

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