Fotografie hat immer zwei Seiten und das gilt seit sie als Medium anerkannt ist.
Fotografie ist frei und sie ist angewandt. Als autonome Kunst gehorcht sie weitgehend nur den Gesetzen, die der spezifische Künstler für sich aufgestellt hat. Als angewandte Kunst im Rahmen eines Auftrags, in der Werbung oder der Journalistik werden ihr konkrete Ziele gesetzt.
Künstler aber haben immer die Grenzen zwischen freier und angewandter Kunst übertreten und das gilt im besonderen auch für die Fotografie. Eine Ausnahme bleibt, wer mit künstlerischen Mitteln die Formen angewandter Kunst kritisiert.
Zu diesen Ausnahmen gehört John Baldessari und sein Werk. John Baldessari, 1931 in Kalifornien geboren, ist in den sechziger Jahren mit Arbeiten an die Öffentlichkeit getreten, die im Medium der Malerei das Medium selbst hinterfragte. Hier schon zeigte sich eine spezifische Strategie, die in der Folge auf das Feld der Fotografie hin erweitert wurde.
John Baldessari nutzt die Malerei nicht als Ausdrucksmittel, sondern als Instrument der Analyse. Dafür spricht, dass er einen Teil seiner Arbeiten von anderen ausführen lässt und damit jede persönliche Spur aus den ›Gemälden‹ tilgt. Von der Analyse der bildnerischen Mittel in der Malerei wendet sich John Baldessari in der Folge den medialen Welten selbst zu, von denen die Malerei eines ist. Seine Entscheidung für die Fotografie ist mit beeinflusst durch die Bilderflut, der er in seiner Heimatstadt Los Angeles ausgesetzt war und ist.
Entscheidender aber ist das strategische Vorgehen, die Fotografie mit ihrem eigenen Instrumentarium zu entschlüsseln. Dabei greift John Baldessari schon auf bestehende Bildmuster zurück, anstatt neue Fotografien zu produzieren. Seine Arbeit besteht in einem präzisen Eingriff in dieses Bildrepertoire.
Das belegen konkret die drei Arbeiten aus der Sammlung der DZ Bank. Sie entstammen drei unterschiedlichen Bildinventaren, obwohl sie sich nicht eindeutig auf diese Inventare festlegen lassen: Urlaubsfotografie, Reportage, Film.
In der Arbeit Two Sets verweist der Titel auf einen filmischen Hintergrund. Besonders das obere Bild mit der Bank könnte der Hintergrund, das Set für einen Tanzfilm mit Gene Kelly sein. Baldessari hat den schwarzen Kasten aus dem unteren Bild in die obere Szene gestellt, als einen roten Fremdkörper, der das Künstliche der Szene hervorhebt. Die Arbeit Two Unfinished Letters ist vom Bildinventar her eine Mischung aus Reportage und Film. Die acht Einzelbilder könnten sich zu einer Geschichte zusammenfügen, aber ein einzelnes Bild kann ebenso eine Vergrößerung aus einer Reportage sein. Die Abbildung der Hände bindet die unterschiedlichen Bilder zusammen, die durch die unterschiedliche Farbgebung der ›Briefe‹ wieder zurückgenommen wird. Paradise ist ein Urlaubsfoto und der Traum davon, der jedem Urlaub zugrunde liegt. Die menschlichen Figuren, die im Himmel als farbige Silhouetten auftauchen, verweisen einerseits auf die Zweidimensionalität der fotografischen Abbildung und können andererseits indirekt auch auf Engelsdarstellungen verweisen.
Jeder Betrachter der Arbeiten von John Baldessari aber wird auch konfrontiert mit seiner persönlichen Erfahrung der Medienrealität, die letztlich subjektiv ist. Subjekt antwortet auf Subjekt.
(Thomas Wulffen)