Thomas Freiler

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Thomas Freiler

Versuchsanordnungen

Thomas Freiler hat die Fotografie von Anfang an buchstäblich genommen: Wie stellen sich Licht und Farben dar, wie arbeiten die Apparate – die alten im Vergleich zu den neuen, die seriell erzeugten im Vergleich zu den selbstgebauten – wo endet die Realität und beginnt das Bild, oder wie simuliert man die verlorene dritte Dimension.

Seine ›Proben‹ lassen sich wie eine ›Fototheorie in Bildern‹ lesen und machen auf empirischem Weg das Phänomen Fotografie greifbar. Jede neue Probe eröffnet einen neuen Kontext und fügt sich nach und nach zu einer komplexen Reflexion über Fotografie…

…Ähnlich wie eine Malerei kann auch eine Fotografie nach der Moderne nie mehr nur abbilden, sie kann nie mehr nur der durchsichtige Übermittler einer Nachricht sein, sie kann nicht nur eine möglichst charakteristische Aufnahme von Gegenständen sein, sondern sie muss immer auch Fotografie sein, im Extremfall auch nur Fotografie an sich, ohne Bild, und vielleicht sogar ohne Apparat…

(Ruth Horak in apparate arbeiten/cameras work Thomas Freiler, Edition fotohof Salzburg 2012)

So unterschiedlich die Arbeiten von Thomas Freiler sein mögen, so gemeinsam ist ihnen ein analytisches Prinzip. Die Entscheidung, sich mit der Fotografie als ideologischer, technischer und kultureller Apparatur analytisch auseinanderzusetzen, bedingt eine Methode, die in der Wahl der Motive, der verschiedenen fotografischen Techniken und ihrer bildhaften Ergebnisse primär eine Versuchsanordnung erkennt.

In diesem Sinne folgen seine Arbeiten weniger dem Ziel, am Ende allein ein fotografisches Meisterwerk hervorzubringen, sondern einem analytischen Blick, der die Bilder nur in ihrer Differenz und Relation zueinander im Auge hat. Was so aussieht, als wären es Serien, die ein Motiv aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu fassen suchen, um mehr über das abgebildete Motiv zu erfahren, entpuppt sich als eine Reihe von Schritten entlang eines Weges mit vordefinierten Parametern: Ist es in einem Fall die konsequente Veränderung der Blendengröße, so ist es in einem anderen die Verschiebung der Belichtungszeit.

Was dabei herauskommt, ist die Vergleichbarkeit der differenten Bildergebnisse und das Wissen um die Abhängigkeit der Bilder von ihren apparativen Koordinaten. Diese apparativen Koordinaten repräsentieren nicht nur den Einfluss der Technik auf die Bildproduktion, sondern vor allem die ideologischen Aspekte, die darin enthalten sind: Das Begehren nach Bildschärfe, die Frage nach der Größe des Bildausschnitts, die Konvention der Bildformate usw.

All diese Qualitäten sind das Resultat einer ideologischen Apparatur, die im Apparat nur die funktionale und ästhetische Übersetzung dieser Vorstellungen von Realität erkennt. In diesem Sinne sind die (fotografischen) Apparate und deren Produkte nur die kulturellen Manifestationen ideologischer Apparaturen. Deren Analyse und Kritik gilt die künstlerische Untersuchung von Thomas Freiler.

Das eigentliche Objekt seiner Forschung ist damit weniger die Fotografie selbst, sondern das darin implizite und manifeste Begehren nach Bildvorstellungen als Ausdruck von Weltbildern. Seine künstlerische Qualität liegt darin, die Bilder selbst soweit an die Grenzen des Bildhaften zu treiben, um am Rande deren Auflösung den ideologischen Apparat dahinter erscheinen zu lassen. Wo ein Bild beginnt oder endet, ist keine Frage des Formats oder der Schärfe, sondern ein Produkt der Erwartungen gegenüber dem Bild. Und aus dieser Perspektive ist der eigentliche Apparat, der hier zur Diskussion gestellt wird, das Subjekt selbst. Die Fotografie repräsentiert nur den Blick dieses Subjekts und dessen Begehren nach einem Realitätsbild.

(Andreas Spiegl: Die Fotografie ideologischer Apparaturen, zu Arbeiten von Thomas Freiler, 2008)