Lena Ditlmann

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Lena Ditlmann

Erinnerungsarchiv

Obwohl sich der Titel Erinnerungsarchiv von Lena Ditlmanns Serie zunächst wie eine plausible Metapher für das Gedächtnis ausnimmt, birgt er dennoch eine gewaltige Problematik, die das Mark dieser Arbeit bildet.

Wenn Erinnerungen archiviert, d.h. sortiert und geordnet, ferner rubriziert und katalogisiert werden, dann handelt es sich dabei tendenziell weniger um eine menschliche Erinnerungskultur und noch weniger um ein organisches, als vielmehr um ein wissenschaftlich organisiertes System, das einer Festplatte in Funktion und Aufbau in nichts nachsteht.

Die Fotoarbeit führt diese zwei Pole Mensch – Wissenschaft, d.h. Technik, vor Augen. Lena Ditlmann hat die Rückseite anonymer Fotografien abfotografiert und gleichzeitig die Vorderseite so stark beleuchtet, dass auf diesen Re–Fotografien, wie sie sie nennt, beide Seiten zur Synthese gelangen, die Auftrags- oder Reklamationscodes, stellvertretend für ein Archivsystem, die ursprüngliche Fotografie überlagern.

Man kann nicht umhin, verleitet von der milchigen Tönung der Bilder, an den Begriff des „gläsernen Menschen“ zu denken. Und tatsächlich geht es auch hier um dasselbe Prinzip, um die Entprivatisierung des Privaten. Der fotografisch festgehaltene Moment, während eines Familienausflugs beispielsweise, wird, und das bedeutet der Code zunächst, seiner Privatheit beraubt. Die Konfrontation des Menschen mit seinem technischen Umfeld entsteht dabei erst durch die Konfrontation der Fotografie mit sich selbst. Was fotografiert, also dem Worte nach ›mit Licht geschrieben‹ wurde, wird erneut einem starken Licht ausgesetzt und abermals fotografiert.

Diese Methode, die dasselbe technische Verfahren mehrmals gegen sich selbst wendet, trägt den Anspruch einer Aufklärung über die Fotografie allgemein und ihrer privaten Nutzung in sich. Sie gesteht dabei jedoch, und in dieser Ehrlichkeit liegt die Größe dieser Arbeit, nur bedingt zu einer Aufklärung beitragen zu können, da sie schließlich mit demselben Medium arbeitet, über das aufgeklärt werden sollte.

(Adrian Giacomelli)