Inside Geneva Camp ist ein Fotofilm, der die Geschichte dreier junger Frauen erzählt, die in Dhaka im Geneva Camp leben. Es ist die größte ghettoartige Bihari-Siedlung Bangladeschs, ein Ort, an dem ein Teil der Urdu sprechenden Minderheit seit vierzig Jahren lebt. Heirat und auch Bildung scheinen für die Frauen die einzigen Möglichkeiten zu sein, diesem stigmatisierenden Ort zu entkommen und sich in die bangladeschische Gesellschaft zu integrieren.
Shabnam studiert und möchte bald heiraten, um ihrer Familie nicht weiter zur Last zu fallen. Putul ist Lehrerin an der Vorschule im Geneva Camp. Seit einiger Zeit arbeitet sie ohne Bezahlung, da die Spenden für die Schule ausbleiben. Rina ist gerade 14 und bereits verheiratet. Der kulturellen Tradition verpflichtet, zieht sie zur Familie des Bräutigams ins Geneva Camp, ihre Schulbildung muss sie abbrechen.
Doch Rina ist keine ›Bihari‹. Diejenigen, deren Muttersprache Urdu ist, werden ›Biharis‹ genannt, denn die meisten ihrer Großeltern stammen aus dem indischen Staat Bihar. In den Jahren nach der Teilung Britisch-Indiens (1947) flohen die Urdu sprechenden Muslime nach Ost-Pakistan, dem heutigen Bangladesch. In Indien wurden sie wegen ihrer Religion verfolgt oder gar ermordet. Als 1971 Pakistan den Unabhängigkeitskrieg von Bangladesch verlor, wurden sie erneut zur Zielscheibe. Dieses Mal wegen ihrer Muttersprache, Urdu, die in Bangladesch mit dem brutalen pakistanischen Regime assoziier wird.
Ein Kampf um Identität, Land und Leben. Die Teilung Britisch-Indiens warf und wirft enorme gesellschaftliche Umwälzungen auf, denn Migration verlangt im Anschluss Integration. Doch ist Integration mit einer Vorgeschichte, die von Krieg, Hass und Mord geprägt ist, überhaupt möglich? Wie viele Generationen durchwandert Integration? Wie viele Generationen braucht es, um Diskriminierung auszulöschen?
Maria M. Litwa arbeitet als Fotografin mit filmischen Strukturen – mit Ton und linearer, rhythmisierter Erzählform. Sie nutzt die Möglichkeit, einen Ort und auch die Menschen nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar zu machen. Grafische Elemente, die das mediale Spektrum erweitern, erlauben es, den komplexen historischen Hintergrund leichter zugänglich und verständlicher zu machen. Ob es nun Multimedia Reportage, web documentary, cinematic narrative oder auch Fotofilm genannt wird: Es ist eine neue und spannende multimediale Erzählform, die sich zwischen Fotografie und Film bewegt.