Nora Gissel und Jan Nikolai Nelles

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Nora Gissel und Jan Nikolai Nelles

Herrscherbilder

2011 war das Jahr des Aufstands in der Arabischen Welt. Der Frühling ist ausgebrochen und illegitime Herrscher mussten ihren Thron räumen. Die Kraft dieser Bewegung und damit der aktuelle Beweis für die Vergänglichkeit von Macht haben uns dazu inspiriert, anhand von einer dreiteiligen Arbeit die Bildlichkeit von Herrschern, die Selbstinszenierung und die Verschiebung von Machtverhältnissen zu untersuchen.

Fotografien sind der bildliche Teil der Geschichte, als kollektives Bildgedächtnis überdauern sie Generationen und die abgebildeten Protagonisten. Die Manipulation des fotografischen Bildmaterials ist fast so alt wie die Fotografie selbst. Das bekannteste Beispiel ist wohl Stalin, der Leo Trotzki und viele andere, die er nicht mehr zu seinen Freunden zählte, aus bereits veröffentlichten Bildern heraus retuschieren ließ.

Das Verschwinden von der politischen Bildfläche einer in Ungnade gefallenen Person wird in Bilddokumenten nachvollzogen. Angelehnt an die collagenartigen Fotografien eines John Baldessaris und damit seiner Dekonstruktion der Moderne, verschwindet das zentrale Individuum aus dem ›found footage‹. Es bleiben minimale Spuren der Diktatoren in den einzelnen Bildern als Verweis auf das da gewesene Machtzentrum.

Die Bildauswahl ist ein Ausschnitt, eine Repräsentation der Macht und der notorischen Selbstinszenierung der Mächtigen, ihrer Propaganda und der Medien. Die Bilder wirken von ikonenhaft bis zufällig. Der ursprüngliche Grund des Bildes verschwindet und der Hintergrund wird zum Thema des Bildes. Das Vakuum in den Bildern füllt sich mit Assoziationen eines kollektiven Gedächtnisses, eines Geschichtsbewusstseins und versinnbildlicht die Endlichkeit von Machtstrukturen.

Sachlich und nüchtern wirken die Portraits aus den Kindertagen der Herrscher. Eingefasst von großen Passepartouts, die für die Fülle an Assoziationen stehen, die sich mit der späteren Geschichte dieser Kinder verbinden. Es sind einige der wenigen nicht inszenierten Fotografien der Herrscher selbst. Die Kinder erwecken in dem Betrachter eine kognitive Dissonanz zwischen Liebe und Terror. Das Portrait eines fiktiven Despoten besteht aus Versatzstücken fotografischer Portraits von verstorbenen und noch lebenden Diktatoren, Despoten, Autokraten. Der nahtlose Übergang der verschiedenen Teile wirkt auf den ersten Blick als das Abbild einer Person.

s Das nähere Betrachten erst entlarvt die Verweise auf die monströse Natur als Ergebnis einer Bildchirugie. Die unterschiedlichen Hauttypen und Farbigkeiten lassen erkennen, dass es sich hierbei um eine artifizielle Bildkreation handelt. Die debile äußere Fassade vereint die Verarbeitung des menschlichen Baustoffes zu einem Frankenstein’schen Monster und die bildnerische Auffassung in Anlehnung an die italienische Portraitmalerei der Renaissance.