Jan Stradtmann

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Jan Stradtmann

Garden Of Eden

Die umliegende, aus Glas und Beton gebaute Welt bleibt unsichtbar. Das gnädige Grün versperrt den Blick auf die kalte Pracht der Gebäude, die, würde man sich des mittelalterlichen Weltbildes bedienen, das Böse, das Satanische beherbergen, das mit Feuer und Schwert zu bekämpfen ist – die Banken.

Mitten in den Londoner Docklands, in Canary Wharf, stehen unübersehbar imposant die gläsernen Monolithe der Finanzohnmacht. Hier lehnt sich eine Bank an die andere, als würden sie sich – nahezu sinnbildlich – gegenseitig stützen wollen. Und genau hier wurde der Jubilee Park als eine Art Minierholungszone angelegt. Ein Park mit verwunschenen Ecken, wo die durch Stress geplagten Banker den Bäumen ihr Leid klagen können.

Jan Stradtmann suchte zu Beginn der Finanzkrise im September und Oktober 2008 nach einem Ort, wo sich das Thema Finanzkrise fotografieren ließ. Mit dem Jubilee Park, als Metapher für den Garten Eden, fand er die geeignete Kulisse. Die Szenerie wird vom Grün der Bäume und Sträucher beherrscht.

Es sind Banker, die hier ihre Mittagspause verbringen und in diesen bewegten Zeiten an einem solchen Ort zwangsläufig zu Symbolfiguren mutieren. Hilflos und etwas verloren wirken sie in der scheinbar undurchdringlichen, paradiesischen Natur – in einer Welt, die sie nach begangenen Sünden auszustoßen droht.

Stradtmann hält in seinen Bildern Distanz und nimmt die Rolle eines stillen Beobachters ein. Ohne die jeweiligen Situationen dramatisieren zu wollen, rückt er die Protagonisten in den Mittelpunkt seiner als Diptychen konzipierten Arbeit. Die Spannung entsteht aus der Konfrontation der geheimnisvoll wirkenden Gartenansichten mit den Darstellungen der Banker. Ein Mobiltelefon in der Hand, rauchend, im Gespräch vertieft, erfüllen die im typischen Businessdress gekleideten Personen einerseits die gängigen Vorstellungen von dieser Berufsgruppe, durch Stradtmanns konzeptuelle Ausrichtung und im Wissen um die aktuelle Krise erfahren sie jedoch eine symbolhafte Aufladung.

Für die im Nachhinein als undurchsichtig anmutenden Finanztransaktionen stehen bei Stradtmann jene Bilder, in denen die Natur ein urwaldartiges Dickicht bildet. Auf der anderen Seite stehen die Akteure, die, gestrandet in der Geschlossenheit eines paradiesischen Parks, gefangen werden. Die Bildpaarungen erzeugen eine Spannung und transferieren die Arbeit von einem rein dokumentarischen Fundament, zu einer assoziativ aufgeladenen Metapher.

Die umliegenden Banken lässt der Fotograf nur als eine Art Fata Morgana durch die Baumwipfel blitzen. Als distanzierter Beobachter ›observiert‹ Stradtmann seine Protagonisten und ›inszeniert‹ ein rätselhaftes Szenario. An dieser Stelle berührt die Fiktion wieder die Realität.

(Denis Brudna, Photonews)