Carsten Dammann beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der Inszenierung und medialen Verwertung von Protest.
Schon seit Jahren ist in Deutschland ein Trend zu verzeichnen, der aufzeigt, dass sich die Bundesbürger aus institutionalisierten Einrichtungen zur Beteiligung an der Demokratie zurückziehen. Parteien und Gewerkschaften beklagen ihren Mitgliederschwund. Auf der anderen Seite beteiligen sich zunehmend mehr Menschen an eher kurzfristigen Protestaktionen wie Demonstrationen, Streiks oder Unterschriftensammlungen. Aktuelle Zahlen besagen, dass es z. B. in Berlin pro Tag durchschnittlich einen Demonstrationszug und fünf Kundgebungen oder Versammlungen gibt. Proteste gehören somit zum Alltag in Deutschland. Hierbei sind die öffentlichen Protestaktionen zum überwiegenden Teil ›Pseudoereignisse‹, das heißt, es handelt sich um Inszenierungen, die eine möglichst große Medienresonanz erreichen wollen.
Dieses Phänomen wird in Carsten Dammanns Arbeit aufgegriffen, indem der Fotograf ›Protestklassiker‹ nachstellt, also beispielhafte Szenen, die so oder ähnlich schon unzählige Male veröffentlicht wurden. Um den Effekt der Beliebigkeit zu unterstreichen, erhalten die Akteure neutrales Material wie leere Transparente oder graue Flaggen.
Von seinem Inhalt befreit ist der Widerstand auf seine Pose reduziert. Dieser artifizielle Eindruck wird durch die künstliche Ausleuchtung und digitale Nachbearbeitung der Fotografien noch verstärkt.
Hinter Carsten Dammanns Arbeit steckt nicht die Absicht, den Protest und den Einsatz der Menschen für die Demokratie auf der Straße zu diskreditieren. Es soll vielmehr medienreflexiv hinterfragt werden, inwieweit wir uns an die Alltäglichkeit des Protestes und seine einander ähnelnden Bilder gewöhnt haben. Der in Zweifel gezogene Authentizitätsanspruch der Fotografie und ihr dennoch häufig leichtgläubiger Konsum durch Mediennutzer werden thematisiert. Darüber hinaus wirft diese Arbeit die Frage auf, inwieweit der Protest weiterführend professionalisiert werden kann und was dies für seine Berichterstattung und die Demokratie bedeutet. In Deutschland finden sich bereits erste Protestdienstleister, die Demonstranten vermieten. Auch Gewerkschaften lassen sich mittlerweile von Werbeagenturen beraten, um ihre Forderungen möglichst medienwirksam zu präsentieren.