Hin- und hergerissen zwischen zwei Welten, unterschiedlichen Kulturen und zwei besonderen Milieus greift der Autor mit diesem Projekt tiefsinnige und aktive Familienlexika wieder auf – Zeugnisse raffinierter Intellektuellen sowie Anzeichen einer Aura, die sich auf die Gestalten seiner Großeltern, Madame und Monsieur Vieille, im Wechselspiel zwischen fabula et historia kristallisiert. Im langen und überfüllten Korridor der Familiengalerie fügt er somit eine neue Erinnerung ein, eine neue Perspektive auf das vielschichtige und faszinierende Erbe seiner Vorfahren.
Air de famille ist der freiwillige Stillstand jeglicher Handlung. »O Trübsinn! fünfte Jahreszeit! verwüstete Steppen wie die Dauer – Turmuhr in einem verwüsteten Bahnhof …« Mit diesen Worten hätte der Dichter Jules Laforgue dieses unverzeihliche Warten beschrieben, das die Gesichter beider Erben dieser Zeit prägt. Monsieur und Madame Vieille fallen in die Hände ihres Enkelsohnes, der sie genau in dem Moment in seinen Bildern verewigt, in dem sie mit der müden Nüchternheit der Untätigkeit auf ihr Erbe und ihre Vergangenheit zurückblicken. In ihren Augen widerhallt das weite und leise Echo der Familiengeschichte. Hier spürt man die Überlegenheit einer langen Geschichte, die zum Stillstand gekommen ist, um besser nachempfunden zu werden.
Fabula et Historia. Die Bilder aus der Reihe Air de famille erinnern an barocke Porträts und sind gleichzeitig durch jene in diesem Falle ironisch verspottete Heiligkeit gekennzeichnet, die wir aus den ersten Fotografien unserer Vorfahren kennen. Der aristokratischen Starrheit stellt sich der bürgerliche Anschein entgegen, dargestellt im schönsten aller Kleider aus der eigenen Garderobe oder in der Uniform, die dem Volke die Machtverhältnisse verdeutlichen soll. Anstelle eines niedergekauerten Hundes, Anzeichen für Treue und gehobener Klasse, steht dem Herrchen ein Schaukelpferd zu Fuße; Statt eines kampflustigen Schwertes hält man hier einen alten Tennisschläger in der Hand. Ein allgemeiner Abschied, dann wenn alles uns anwidert, in dem Moment unseres Lebens, in dem wir weiterleben, nur um den Erinnerungen und dem Tode zu entfliehen.
Die Zeit! Die Zeit! Alles weitere sind nur Wolken … einer unversehrten Frische: die von Madame und Monsieur Vieille.