Die Serie Absence beinhaltet sowohl alte Fotografien aus dem Leben meiner Mutter als auch aktuelle, von mir angefertigte Bilder. Die Fotografien sind montiert mit von ihr dazu geäußerten Kommentaren und Bemerkungen. Die Fotos, auf denen meine Mutter als junge Frau sich selbst im Garten, in einer Straße oder in ihrer Küche zeigt, wurden mit ihr an den gleichen Orten nachgestellt. Jahrzehnte nach den Originalaufnahmen posiert sie in der jeweils gleichen Art an den gleichen Orten, aber nun in einem völlig anderen persönlichen Kontext. Sie erlebt dabei die vergangenen Momente als Erinnerungen und mit gemischten Gefühlen wieder.
Indem ich visuell und verbal die Fotografien meiner Mutter aus der Vergangenheit rekonstruiere, strukturiere ich nicht nur zentrale Teile meiner Familiengeschichte, sondern erforsche auch die Beziehung zwischen den Jugendbildern meiner Mutter und ihren eigenen Erinnerungen an diese Zeit. Die Anordnung der Bilder folgt nicht einer chronologischen Erzähllinie, sondern der irrationalen Struktur der emotionalen Reaktionen meiner Mutter. Obwohl die meisten der benutzten Bilder aus ihrer Jugend eher idyllische oder zumindest neutrale Grundtöne haben, zeigen ihre Kommentare, dass ihre Erinnerungen an die jeweiligen Momente oft unglücklich oder unangenehm sind. Ihre Erinnerungen und Interpretationen der Vergangenheit sind von ihren gegenwärtigen Gefühlen und Haltungen beeinflusst oder das Ergebnis der Erfahrungen, die sie in der Zeit zwischen damals und jetzt gemacht hat.
Daraus resultiert die Erkenntnis, dass private Schnappschüsse äußerst unzuverlässige Dokumente der eigenen Geschichte sind und nur allzu oft verfälschten Zugang zur Vergangenheit bieten. Ihre Bedeutung bleibt diffus, sogar, wenn die Erinnerung an die Erfahrungen, die sie abbilden, noch immer lebendig ist oder es zumindest zu sein scheint. Als Objekte intensiven emotionalen Investments beweisen sie, dass sie genauso fehleranfällig sind wie unser eigenes Gedächtnis.
(Paula Muhr)