Falk von Traubenbergs Cube I ist eine fotografisch-installative Arbeit, die sich mit der Bewahrung von Erinnerung und dem Verstehen von Zeit auseinander setzt. Mit Dias vollständig gefüllte Einmachgläser sind zu einem Kubus angeordnet. Die Grundfläche des Kubus besteht aus Ebenen zu 6×6 Gläserreihen, die einzelnen Ebenen von Metallgittern getrennt. Sechs helixförmig aus dem Kubus herausragende Leuchtröhren ersetzen sechs einzelne Reihen von Gläsern; Sie stehen an den gegenüberliegenden, vertikalen Seiten des Kubus über und ergeben somit zwölf Enden, drei auf jeder der vier Seiten.
Das Spiel mit Mathematik und Geometrie ist der technische Ausgangspunkt zur inhaltlichen Erforschung der Verhältnisse von Bewahren und Vergessen, von Licht und Dunkelheit, von innerem und äußeren Bild. Die Dias sind das fotografische Lebenswerk eines verstorbenen Bekannten, das in dieser Form eine ganz besondere Art der Archivierung erfährt. Es sind anonymisierte Rückstaende eines vergangenen Lebens, quasi auf ewig konserviert, die in dieser Präsentationsform einer Erinnerung näher kommen als eine sichtbar vorgegebene Momentaufnahme. Die Bilder werden nur im begrifflichen Kontext geliefert. Wie eine persönliche Erinnerung müssen sie individuell vor dem inneren Auge hervorgerufen werden. Der ephemere Charakter der visuellen Erinnerung im Gesamtkontext der Zeit wird greifbar und projizierbar gemacht. Der Kubus, ein Hinweis auf die Ganzheit eines abgeschlossenen Lebens, ist Katalysator und Projektionsfläche innerer Bilder. Dias werden bevorzugt als Projektion präsentiert. Die ursprüngliche griechische Bedeutung von Dia (durch/hindurch) weist auf die Lichtdurchlässigkeit des Materials hin. In dem von Dias dominierten Kubus wird paradoxerweise das Hindurchgehen von Licht durch die Dias selbst arretiert. Deren Ansicht bleibt dem Betrachter durch ihre Dichte verborgen und doch sind sie durch die Leuchtröhren erhellt, das Licht der Erinnerung symbolisierend. Die Leuchtröhren drehen sich helixförmig um den Kubus. Die Helix ist schon in der Natur eine häufige Spiralform, beispielsweise zu finden in der Doppelhelix der DNA. Diese Lichthelix aus Leuchtröhren bezieht sich auf das Leben an sich – Licht ist eine Grundanforderung des Lebens und die Helix ein Grundbaustein des Lebens. Krypton (kryptos = verborgen, versteckt), der wesentliche Bestandteil weißer Leuchtröhren und auch von Foto-blitzbirnen, hat übrigens die chemische Ordnungszahl 36, das Quadrat von sechs.
Unter Einbringung technischer, wissenschaftlicher und philosophischer Faktoren erlangt das Wesen der Fotografie, etwas abbilden zu wollen, in dieser Installation eine höhere Bedeutung. Falk von Traubenberg gelingt die Auflösung des Paradoxons des unsichtbaren Sichtbaren. Er würdigt ein Lebenswerk in seiner Vollständigkeit und gibt alles und gleichzeitig nichts davon preis.
(Kristina von Bülow)