»Ein dokumentarischer Fotograf zu sein ist, nicht nur Dokumente zu produzieren, sondern auch dadurch eine Reflexion über die Geschichte seines eigenen Mediums zu entwickeln.«
Olivier Lugon, 2008, im Fotomuseum Winterthur, während des Symposiums Fotografie zwischen Dokument und Konzept
Ein Ziel dieser Arbeit ist, die Grenzen traditioneller und dokumentarischer Fotografie zu erweitern. Die Arbeit unterwirft sich dabei nicht der Vorstellung einer vermeintlich objektiven Abbildung, sondern orientiert sich an den Prinzipien subjektiver Darstellung. Obwohl ein Abbild niemals objektiv sein kann, haben manche FotografInnen bis heute den Anspruch, ein realitätsgetreues Abbild zu liefern.
Ein realitätsgetreues Abbild erscheint aber nicht möglich. Eine Abbildung bedeutet immer eine Reduzierung auf einige ausgewählte Aspekte der Realität. Eine Fotografie kann niemals dieselbe Wirklichkeit einer BetrachterIn vermitteln, die ein erlebter Moment sie hätte erleben lassen. Die genaue Nachahmung bzw. Abbildung der Realität ist nur eine Illusion und würde nichts über das Dargestellte aussagen.
Es sollte nicht das Ziel sein, ein realitätsgetreues Abbild herzustellen. Ein dokumentarisches Bild sollte vielmehr das Resultat eines sorgfältigen Reflexionsprozesses sein. Durch das Studium eines Themas entwickelt die Bild-AutorIn eine Vorstellung von dem Letztgenannten. Die Umsetzung dieser Vorstellung in ein Bild ist dann nur der letzte Schritt in einem langen Bildfindungs-Prozess. Das Ziel ist, der BetrachterIn des Bildes das subjektive Erlebnis bzw. die subjektive Deutung des dargestellten Ereignisses zu vermitteln.
Erreichen möchte dies die vorliegende Arbeit mithilfe des fotografischen Bildes. Die Arbeit strebt dazu die Kontrolle über jene Aspekte des Bildes an, die dessen Bedeutung bestimmen. Sie nutzt dazu die digitale Konstruktion. Alle Bilder – auch die Videos – sind das Ergebnis mehrerer Monate der Bild-Komposition. Auf diese Weise überwindet diese Arbeit, zum einen mediale Bedingungen, wie z.B. die Einschränkung der Fotografie, nur einen Moment und einen Ort zur gleichen Zeit abbilden zu können. Zweitens bricht sie mit Darstellungskonventionen, wie dem technischen Zwang zur Linearperspektive. Drittens hebt sie die Festlegung der Komposition und Konstellation des Dargestellten durch die fotografische Aufnahme auf. Durch Reflexion und Konstruktion möchte diese Arbeit sowohl einen Eindruck von den dargestellten Ereignissen vermitteln als auch von der Bedeutung der komplexen Entwicklung unserer Gesellschaft im Zuge der digitalen Revolution.