Irina Ruppert

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Irina Ruppert

Cortorar Gypsies

Vor rund einem halben Jahrhundert wohnten die Cortoraren ausschließlich in Zelten. Das Wort ›Cortorari‹ hat seinen Ursprung im rumänischen ›cort‹ (Zelt) und bedeutet ›Zeltbewohner‹.

Cortoraren besitzen einige Attribute, die dem mythischen Bild des exotischen Zigeuners entsprechen: zum Beispiel das Tragen bunter Röcke bei den Frauen und der geschickte Umgang mit Kupfer bei den Männern, die hohe schwarze Hüte tragen. Von den Siebenbürgersachsen werden sie auch Blechzigeuner genannt. Das Dorfbild wird neben der Kleidung der Bewohner von der Ausübung ihres Handwerks und dem damit verbundenen Hämmern geprägt. Im Bewusstsein des romantischen Stereotyps von den nicht-sesshaften Roma genießen es die Cortoraren, ihr ehemaliges nomadisches Leben in Erinnerung zu rufen, das sie als echter und authentischer als das anderer Roma herausstellen.

Für die Cortoraren begann der Prozess der Sesshaftwerdung in den 1950er Jahren, als die Kommunisten in Rumänien an die Macht kamen. Das neue Regime zwang sie, Häuser zu kaufen und Hygienevorschriften zu beachten. Die Alten erinnern sich, wie den Männern Haare und Bärte gestutzt wurden und wie die Kinder zum Schulbesuch verpflichtet wurden. Damals waren die Cortoraren gerade aus Lagern in Transnistrien zurückgekehrt, wohin sie im Zweiten Weltkrieg deportiert worden waren. Im Lauf der Zeit haben die Cortoraren unter wechselnden Regierungen, und schlechten Wirtschaftsbedingungen einen Weg gefunden, zu überleben, auf ihre ganz eigene Art.

Einen Teil ihres Geldes verdienen sie durch Kupferhandwerk und Schweinezucht, die in den eigenen vier Wänden betrieben werden und deren Erlös unter den Verwandten verteilt wird. Den größeren Teil jedoch verdienen häufig die Alten und Kranken durch Betteln in westeuropäischen Ländern. Auch wenn viele von ihnen mehr Zeit im Ausland als in Rumänien verbringen, streben sie nicht an, sich in anderen Ländern niederzulassen. Stattdessen schlafen sie im Freien, in Parks oder unter Brücken. Für die Cortoraren ist das Zuhause dort, wo ihr Haus steht.

Ihre neu gebauten Häuser betrachten sie als Ausdruck ihrer Besserstellung, die als ökonomischer Fortschritt, aber auch als Beleg eines sozialen Aufstiegs verstanden wird. Ihrer Deutung nach haben sie das Zelt gegen die villenähnlichen Häuser getauscht und sind von Wildheit direkt in die Zivilisation avanciert. Es geht ihnen um Anerkennung und die Suche nach einer neuen Identität.

Ich bin auf die Cortorar Gypsies getroffen, als ich auf einer Recherchereise 2006 zu den Siebenbürgersachsen in Rumänien unterwegs war. Seitdem besuche ich ihr Dorf regelmäßig, seit 2012 portraitiere ich die Bewohner in einer Art Fotostudio, das ich in den Höfen der jeweiligen Familien installiere.