Fabian Rook

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Fabian Rook

Desktop Evidence

Der Raum ›Google Streetviews‹ und seine Ordnung sind Teile einer medialen Welt, die zwar außerhalb der realen Welt und ihrer Ordnungsgefüge liegt, aber eng mit ihr verknüpft ist und sich als Teil der Lebenswelt zu etablieren beginnt.

Virtuelle Erfahrungen werden physischen in zunehmender Weise gleichgestellt. Immer seltener führt deshalb noch ein Weg hinter die bildlichen Erscheinungen zurück. Virtuelle Welten werden so zwangsläufig zum neuen ›Lebensraum‹ zu einer Erweiterung dessen, was wir als Realität ansehen.

Ich habe Wochen in diesem Raum verbracht und bin von meinem Schreibtisch aus durch unterschiedliche Teile der Streetview-Welt gereist. Ich habe die nördlichen Grenzregionen Mexikos besucht und die Auswirkungen des Tsunamis in Japan besichtigt. Dabei habe ich Screenshots angefertigt, die in ihrer Ästhetik etwa an die Fotografien Stephen Shores oder Joel Sternfelds erinnern. Diese Fotografen waren direkte Zeugen des Geschehens vor ihren Kameras. Ihre physischen Erfahrungen entsprachen denen des Raumes, in dem sie sich bewegten, um ihre Fotografien anzufertigen. Bei meinen Bildern handelt es sich um rein operatives Material. Die Kamera bei Google kennt keinen Fotografen oder Autor, kommt aber trotzdem zu vergleichbaren Ergebnissen. Ich fungiere also nicht als Autor im herkömmlichen Sinne. Ich bin weder Herr über die eigentliche Bildproduktion, noch kann ich die vermittelnde Rolle eines Zeugen einnehmen, der tatsächlich vor Ort gewesen ist. Meine Zeugenschaft bezieht sich höchstens auf eine ›Wirklichkeit aus zweiter Hand‹, die sich zwar aus der Realität herleitet, sich mir aber erst durch eine technische Vermittlung offenbart. Meine Aufnahmen sind Spiegelungen meiner Erlebnisse, die von jedermann, der im Netz ist, jederzeit in identischer Weise wiederholt werden können. Shore und Sternfeld halten die Zeit fest. Ich spare sie aus.

Ich stelle mit meiner Arbeit Fragen an fotografische Themen, wie Autoren- und Zeugenschaft, indem ich Differenzen und Gemeinsamkeiten zu klassischen, dokumentarischen Stilrichtungen in der Fotografie herausarbeite. Außerdem thematisiert meine Arbeit die Diskussion über die Kontrolle und Überwachung des privaten und öffentlichen Raumes und des hieraus entstehenden Machtgefüges.

So liegen dem dritten Teil meiner Arbeit ebenfalls Bilder aus Google Streetview zu Grunde. Diese Bilder dienen jedoch nur als Bühne für die Inszenierung einer fiktiven Dokumentation aus Krisengebieten des Nahen Ostens oder der arabischen Welt. Dafür füge ich dem Ausgangsmaterial Details aus fotojournalistischen Motiven hinzu, die ich den Bilddatenbanken verschiedener Bildagenturen entnommen habe. Auf diese Weise löse ich die Bilder von Google Streetview aus ihrem topographischen Kontext (etwa der Kanaren-Insel Fuerteventura) und überführe sie, durch das Hinzufügen von (typischen) bildlichen Hinweisen, in die besagten Konfliktregionen. Es stellt sich die Frage nach dem (historischen) Machtpotential, das in Googles Bestreben liegt, ein fotografisches Generalarchiv der Welt anzufertigen.