Ulla Deventer

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Ulla Deventer

I’ve Never Been Big Sick (2013–2015)

»Einzig durch Erfindung, Erdichtung und Inszenierung ist eine intensivere Ebene der Wahrheit zu erreichen, die anders nicht zu finden wäre.« (Werner Herzog)

Die Arbeit von Ulla Deventer bewegt sich an der Grenze von Dokumentarfotografie und Porträt. Ferner kennzeichnet sie sich durch eine verstörend-traumhafte Empfindsamkeit. Zutiefst persönliche Geschichten werden in abstrakt-surreale Bilder übersetzt, zu Serien gruppiert und sorgfältig konstruiert hinblicklich Symbolismus und Atmosphäre. Ulla Deventer verzichtet hierbei bewusst auf eine objektive Haltung.

I’ve Never Been Big Sick entstand in Zusammenarbeit mit fünf Frauen, die in Belgien als Prostituierte arbeiten. Das Aufbauen von Vertrauen nahm einen zentralen Teil des Prozesses ein; Ulla Deventer verbrachte viel Zeit mit den Frauen, sei es in ihren Arbeitsräumen oder privaten Wohnungen, in denen sie regelmäßig übernachtete.

Das Material dieser Serie entspringt zwei Quellen: Zunächst ist es das persönliche, gelebte Umfeld der Protagonistinnen, welches Hinweise zu dem Bild transportiert, das hier übermittelt werden soll. Ein weiterer Aspekt ist das Einflechten von Erzählungen und Anekdoten der Frauen in die Serie. Weil diese mittels einer surreal anmutenden Bildsprache und einer außergewöhnlichen Anordnung präsentiert werden, ähnelt das Ergebnis einem Märchen voll offener Fragen. Im Gesamtbild ergibt sich ein verstörender Eindruck auf den Betrachter: Die auf den ersten Blick durch ihre Fragilität, Sensibilität und Melancholie wirkenden Bilder geben beim genaueren Hinsehen kleine Hinweise auf die rauhe Realität, welche die Frauen in ihrem Milieu erfahren. Damit beabsichtigt Ulla Deventer eine alternative Erzählform über Sexarbeiterinnen. Die Inszenierungen von unschuldig anmutenden Stillleben sind durchaus gewollt, um stereotype Sichtweisen auf Prostitution zu durchbrechen. Oft ist dieser Effekt beunruhigend und provokant, lässt er doch das voyeuristische Verlangen unbefriedigt.

Jedes Bild kann als Strophe eines Gedichts verstanden werden. Dieser Gedanke wird fortgeführt durch zusätzliche Zitate in der Präsentation, sei es in einem Buch oder in einer Ausstellung. Kurz gesagt, strebt Ulla Deventer nach Authentizität mit dem bewussten Erschaffen von Bilderwelten voller Atmosphäre und Emotionen, welche Hinweise zur Wirklichkeit geben, anstatt geradeheraus das Reale zu beschreiben.

(Tom Nys)