Kirsten Kleies Arbeit verweist auf die historische Genese des Zusammenhangs von Blick, Geschlechterkonstruktion und Fotografie.
Ihre Fotografien kreisen um die kulturelle Codierung des Geschlechts durch den Blick. Dass jede Fotografie auch Zeugnis eines sexuellen Sehens und ein Dokument der Geschichte des männlichen Blickes ist, wird dekonstruiert. Der männliche Blick bestimmt seit der Renaissance das Bild und die Rolle der Frau, während der Mann als Blickgeber sich im Blickschatten konstruiert – gewissermaßen an der Rückseite des Bildes. Die Konstruktion der Geschlechter über den Blick lagert sich an die biologische Identität an und überschreibt diese.
In ihrer Arbeit resolution in/out zeigt Kleie drei großformatige Fotografien, Vergrößerungen einer Camera-obscura-Belichtung. Antwortend auf die phallische Codierung der Kamera blickt eine Camera obscura aus ihrem Schoß zurück. Aus dieser leiblichen Öffnung fotografierte sie, auf dem Boden sitzend, Kunstikonen des männlichen Blicks: L’Origine du monde (1866) von Gustave Courbet, Étant donnés (1946–1966) von Marcel Duchamp und Aktionshose: Genitalpanik (1969) von VALIE EXPORT. Kleie antwortet mit ihrem Geschlecht auf den präformierenden Blick des Mannes. Sie verleibt sich die phallisch codierte Kamera buchstäblich ein und schießt zurück.
Das Stereoskopobjekt in=out bildet gewissermaßen das Scharnier. Die Stereoüberblendung von Subjekt und Objekt, Mann und Frau des Dürerholzschnitts Der Zeichner des liegenden Weibes (1538), erklärt auf bildliche Weise sowohl Problem als auch historisches Ergebnis. Der Künstler Albrecht Dürer steht am Beginn einer Entwicklung in der die Natur vollständig vermessen und domestiziert wird. Ein Zusammenhang zwischen optischem Apparat, Techniken des Sehens, Machtausübung und Geschlechterkonstruktion stellt sich her, aus dem eine Feminisierung des Bildes und eine Sexualisierung des Blickes folgen.
(Michael Hofstetter)