Das menschliche Bedürfnis, Dinge festzuhalten, um sie begreifen und verstehen zu können und die Fotografie als technische Errungenschaft, die jenem Begehren unterstützend entgegenkommt, stehen im Zentrum von Claudia Rohrauers Arbeiten. Als forschende Fotografin und fotografierende Forscherin untersucht sie das Medium in seiner Funktion des Aufzeichnens und Fixierens sowie den Mythos des Wahrheitsanspruchs, der fotografischen Bildern gerne zugeschrieben wird.
In fiktiven Forschungsszenarien eignet sie sich Vorgehensweisen aus den Naturwissenschaften und das dazugehörige visuelle Vokabular an, um den wissenschaftlichen Blick aus einer künstlerischen Perspektive nachzuvollziehen. Die dabei produzierten Bilder werden als Arbeitsmaterialien begriffen, sie werden zu Projektionsflächen für die Imagination der Künstlerin. Die Grenze zwischen dem tatsächlich Abgebildeten und der Wahrnehmung des Abgebildeten beginnt zu verschwimmen, das fotografische Dokument wird zur Fiktion.
Eingriffe in das Filmmaterial (wie z.B. Ritzungen mit Skalpell oder grafische Montagen) machen diese Fiktion – das Interpretierte, das Vorgestellte, aber auch das illusorische Potential der Fotografie selbst – sichtbar und schreiben diese ›Seh-Leistung‹ buchstäblich in das Material ein. Sie manifestieren das Subjektive des Blicks, das in der Wissenschaft naturgemäß als problematisch, weil systemgefährdend, betrachtet wurde bzw. wird und mittels der vermeintlichen Objektivität des Laborsettings neutralisiert werden sollte. Das Subjektive und das Persönliche wird in Claudia Rohrauers Bildern vielmehr bewusst betont, Erkenntnis wird suggeriert und den BetrachterInnen als eine von vielen Möglichkeiten vorgeschlagen. Gleichzeitig wird die Konstruiertheit des Untersuchungsergebnisses offengelegt und der vermeintliche Beweischarakter des fotografischen Bildes sowohl kritisch als auch humorvoll unterwandert. In diesem Graubereich eröffnet sich ein Raum für das Poetische, das sich per se der Fassbarkeit entzieht.