Mit einem neuen Medium verbindet sich eine neue Lebensform. Das Digitale strebt nach Optimierung und Idealisierung. Es ist dem Geistigen wesentlich näher als jedes Medium zuvor, das macht die Faszination und das Begehren nach ihm aus. Unsere Begeisterung beruht auf der Vorstellung, mit diesem Medium den Tod zu überwinden.
In der Transparenzgesellschaft, deren Wesen auf der Information und der Unüberprüfbarkeit beruht, findet eine totale Verflachung aller Unebenheiten statt. Die Ordnung der Erde, die durch Mauern, Körper und Barrieren gekennzeichnet ist, weicht der digitalen Ordnung, die alle Konturen und Markierungen verflüssigt und damit jegliche Widerstände und Unterschiede auflöst. Rastlosigkeit und Liquidität treten an Stelle von Dauer und Verbindlichkeit. Ein indeterminierter Hyperraum entsteht. Die Bildserie zeigt Gebäude, die am Übergang zur Nacht mit einem Smartphone in einem Dorf fotografiert wurden. Der Mangel an Licht und die technische Begrenztheit des Kamerachips führen zur Einebnung von Himmel und Erde. Die Einebnung des Raums und die Ortlosigkeit der Objekte sowie die Auflösung aller Details und Gegenständlichkeiten markieren den Einbruch des Todes. Denn hinter der Simulation von Ewigkeit offenbart sich das Digitale als ein todbringendes Medium. Tod dem Dialog. Tod dem Diskurs. Tod der Polarität. Folglich können diese Bildmotive als Vorausschau auf eine kommende Seinsform gewertet werden.
Das digitale Medium ermöglicht fotografische Bilder, die nicht mehr retrospektiv gelesen werden müssen, sondern prospektiv gesehen werden können. So werden sie zu Ideal- und Vorbildern. Digitale Bilder stehen nicht im Dienste der Repräsentation. Für sie gilt nicht das Grundprinzip der Referenz. Sie sind von der Last des Dokuments befreit. Das Smartphone ist flach wie eine Scheibe und ein hermetisch verschlossener Monitor. Seinem Wesen nach ist das Smartphone ein reines Ausstellungsmedium, das exklusiv auf die Erzeugung von Positivität angelegt ist. Die erzeugten Daten werden in der Regel sofort veröffentlicht und geteilt. Durch Posting und Sharing wird Aufmerksamkeit generiert. Die Anzahl der ›Likes‹ erhöhen den eigenen Marktwert und inszenieren das handelnde Subjekt als Ware.
Das Medium kann allerdings gegen sich selbst gerichtet und in der Folge seine eindeutige Bestimmtheit durchbrochen werden. Alles ist zu jeder Zeit möglich. Es ist nur sehr viel unwahrscheinlicher, mit einem Smartphone Bilder zu erzeugen, die Negativität aufweisen. Die Verflachung, der Tod und die Leere des Digitalen können durch den Vorgang der immanenten Subversion des digitalen Bildes visualisiert werden. Denn die Transparenz im Gesellschaftsraum und die Hyperrealistik des Bildes gehen an ihrem Höhepunkt letztlich in Intransparenz und Phantastik über. Dieser Prozess der Umkehrung lässt Bilder entstehen, die tiefer und dauerhafter wirken als bisherige Bilder.