Eine Reise durch die Scheinwelten künstlicher Urlaubsparadiese. Schifahren in Dubai oder Bottrop, Palmenstrände in Paris, Hamburg und Berlin, eine Gondelfahrt durch Venedig in Las Vegas … was darf es sein? Weltweit werden Millionen investiert, immer aufwändigere künstliche Welten entstehen, die uns zu reproduzierbaren Erlebnissen einladen – sicher, jederzeit verfügbar und ohne weite Reisen zu erreichen. Wohlstand, neue technische Möglichkeiten und unsere Zeitknappheit revolutionieren unsere Begriffe von Urlaub und Freizeit. Der urbane Erholungsraum verwandelt sich in eine künstliche Ferienwelt. Urlaub – immer und überall. Oder zumindest das Gefühl von Urlaub, die perfekte Illusion von dem, was wir vom Urlaub erwarten.
»The world is mine it could be yours, my friend, so why don' you pretend?« (Nat King Cole)
»Einen Trip in tropische Gefilde können sich jetzt alle leisten«, verspricht der Prospekt des Tropical Islands Resort, das »authentische Tropenparadies vor den Toren Berlins«. Wer dem deutschen Wetter ein paar Stunden entkommen will, findet dort einen warmen Sandstrand, Beachvolleyball-Felder, exotische Tanzgruppen, Holzhütten von Eingeborenen, einen botanischen Garten und Vogelgezwitscher aus Lautsprechern, die wie Steine aussehen. Unter der Blechkuppel der größten freitragenden Halle der Welt wird man gegen Aufpreis sogar von Indianern in Rituale des Urwalds eingeweiht. Japaner, die sich keinen Trip nach Europa leisten wollen, sehen sich zu Hause detailgetreue Nachbauten der größten Sehenswürdigkeiten an und lassen sich davor zum Andenken fotografieren. Durch die Kanäle des Venedig in Las Vegas kann man sich von Gondolieri schaukeln lassen, die neben italienischen Liedern auch einen italienischen Akzent lernen mussten.
Selbst in andere Zeiten geht die Reise, wenn auf Reenactments historische Schlachten nachempfunden werden – detailgetreu bis zu schweißtreibenden Märschen in Südstaaten-Uniformen und durchfrorenen Nächten in nassen Zelten. Rollenspieler versetzen einander etwa ins Mittelalter oder in Science-Fiction-Welten. Swingerclubs bieten sogar Urlaub vom Moralkorsett der Gesellschaft.
»Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.« (Pipi Langstrumpf)
Mitunter laufen die Imitationen den Originalen den Rang ab. Themenparks gehören längst zu den bedeutendsten Reisezielen. Eurodisney hat im Jahr mehr Besucher als Schweden, Dänemark und Norwegen zusammen. Doch was taugen die künstlichen Erlebnisse? Versäumen wir am Ende unser Leben, wenn wir zu viel Zeit damit verbringen, es zu simulieren?
Reiner Riedler hat sich auf eine Expedition durch die modernen Scheinwelten unserer Freizeit gemacht und zeigt uns ambivalente Bilder. In ein nüchternes, schonungsloses Licht rückt er die Kulissen dieser Traumwelten. Mit Respekt und Wärme blickt er auf die Träumer, die sich darin bewegen – ihre Sehnsüchte, Enttäuschungen und Erfüllungen.
(Jens Lindworsky)