Mirja Schellbach

<   >

Mirja Schellbach

Nackte Nächte

In der Nacht erwacht das innere Auge. Die abgespeicherten Konturen des Tages verweben sich mit den Schemen der Nacht und leiten uns durch die Dunkelheit. Im Wachzustand, wie im Traum. Die Nacht ist eine Zeit der Reflektion, der Erholung, der Stille. Die Serie Nackte Nächte zeigt urbane Landschaften, aufgeräumt und entleert von Dingen und Details. Sie dehnt die Dunkelheit aus und lässt das Verborgene erscheinen. Die Fotografien Nacht#2 und Nacht#8 – Der grüne Gang sind Teile des im letzten Jahr erschienen Bilder-Leporellos Nackte Nächte.

In einem 3-jährigen Prozess des nächtlichen Fotografierens gewann das Nichtsichtbare stetig an Bedeutung. Die Dunkelheit rückte immer mehr in den Vordergrund und breitete sich über Autos, Schilder und Lampen legend immer weiter aus. Eine klare Verortung der Räume trat dagegen stark in den Hintergrund und eröffnete eine subjektive Wahrnehmungsebene.

Nacht#2 und Nacht#8 stehen sich innerhalb dieses Prozesses ergänzend gegenüber. Bei dem einen handelt es sich um einen realen Raum, bei dem anderen um eine im Computer entstandene Collage, die zwar aus realen Stücken erbaut ist, aber eben in seiner Form nicht existiert. Dennoch transportieren beide Fotografien denselben Gedanken: Sie mimen das Alltägliche und doch steht die Frage nach dem Anteil des Traumgleichen innerhalb der Realität und des Realen innerhalb einer fiktiven Wahrnehmungsebene im Vordergrund. Am Ende behauptet sich das Geheimnisvolle.

»Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn. Romantisieren ist nichts als eine qualitative Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert. Sowie wir selbst eine solche qualitative Potenzreihe sind. Diese Operation ist noch ganz unbekannt.

In dem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es … Romantische Philosophie. Lingua romana. Wechselerhöhung und Erniedrigung.«

(Blütenstaub-Fragmente, Novalis, 1798)

↑ nach oben zum Seitenanfang ↑

<   >