Michael Schäfer plante ursprünglich, eine Laufbahn als Fotojournalist einzuschlagen. Sein heutiges Schaffen positioniert ihn jedoch weit abseits des Medientrubels. Wie die meisten von uns ist er selbst Konsument von Bildern, wenn er Zeitungen oder Nachrichtenmagazine liest.
Ausgebildet in visueller Kommunikation ist Schäfer ein erfahrener Beobachter, was die Tonalität und inhaltliche Qualität von Fotografien angeht. So setzt sich seine jüngste Werkgruppe explizit mit Bildern aus dem Pressekontext auseinander. Die Arbeiten greifen in Magazinen gefundenes Bildmaterial auf und transportieren einzelne Sujets als teils rekonstruierte, teils abgewandelte Inszenierungen in die Kunstwelt.
Wählt Schäfer ein Bild aus, geschieht dies spontan und erst im zweiten Schritt in Bezug auf den faktischen Hintergrund. Entscheidend ist der psychologische Gehalt einer Szene. Es geht stets um Menschen und darum, wie sich ihr Schicksal in der abgebildeten Szene niederschlägt. Für ihn sind Motive interessant, die menschliche Erfahrungen wie Scheitern, Schuld oder Verzweiflung illustrieren. Schäfer nimmt diese Aspekte auf, um sie in eigener Regie konzentrierter fortzuführen. Die Vorlage dient ihm dabei als unverbindliche Inspirationsquelle. Er reduziert das Vorhandene nicht selten auf weniger Bildelemente, verstärkt oder abstrahiert stattdessen ihm wichtige Gesten und Details.
Durch seine Modulation und die starke Vergrößerung auf Galerieformat entstehen autonome bildnerische Neuschöpfungen, die trotz erkennbarer Anhaltspunkte nicht mehr eindeutig zu verorten sind.
Um typgerechte Darsteller, stilechte Locations und originalgetreue Requisiten zu finden, betreibt Schäfer einen sehr hohen Aufwand. Seine Bilder sind zwar das Gegenteil von dokumentarisch, dennoch baut ihre finale Wirkung vor allem darauf auf, dass bestimmte Komponenten so authentisch wie möglich wiedergegeben sind. Entscheidend für ihre tiefe Rätselhaftigkeit und Nachhaltigkeit bleibt nämlich, dass sie erahnbar Spuren von wahren Geschichten enthalten.
Bei der Herstellung dieser Bilder kommt der Fotografie an sich eher eine nachgeordnete Rolle zu. Viel wichtiger ist die finale Komposition am Bildschirm – es müssen oft unterschiedliche fotografische Bausteine passgenau montiert werden. Die Fotografie dient im Gesamtprozess als Mittel zur Reproduktion und Nachahmung. Vor allem aber vermag das Medium wie auch schon bei den zugrunde liegenden ›Originalen‹ Vertrauen auf Echtheit zu wecken. Damit formulieren die Werke Schäfers gewollt oder ungewollt auch einen Kommentar zur Diskussion um den Wirklichkeitscharakter des fotografischen Dokuments.
(Claudia Stein)