Jürgen Schmidt

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Jürgen Schmidt

Uneinsehbare Bereiche

Bei der Umsetzung der bisherigen Arbeiten konzentrierte ich mich auf die Verwendung von seriell gefertigtem Fassadenmaterial mit einem homogenen Erscheinungsbild. Diese sind von ornamentalen Oberflächenstrukturen geprägt und werden als vorgefundene oder gebaute Kulissen- oder Raumelemente eingesetzt. Die Kulissenaufbauten bestehen aus drei Elementen: einem kulturellen (das seriell gefertigte Fassadenmaterial), einem natürlichen (z.B. dem Sandboden) und einem nicht einsehbaren Bereich, der auch außerhalb des Bildes sein kann. Die ersten beiden dienen als Referenten einer realen Welt, das dritte bildet dem gegenüber eine Leerstelle, ein optisches Rückzugsgebiet. Ausgehend von vorher entworfenen Skizzen werden die Kulissen angefertigt und mit dem jeweiligen Fassadenmaterial bestückt. Die räumliche Kulisse erhält somit eine variable Oberfläche zugeordnet, die sie sich quasi ›anzieht‹. Sie speichert somit an ihrer Oberfläche die jeweilige Information (z.B. charakterliche Eigenschaften des Fassadenmaterials).

Die Herstellung einer dreidimensionalen Kulisse dient als Ausgangssituation zur Übersetzung in die zweidimensionale Oberfläche der Fotografie. Nicht das räumliche Erlebnis eines Objektes vor Ort, nicht die Begehbarkeit des Raums mit aller sensorischen Wahrnehmbarkeit ist das Ziel, sondern die auf einen, den visuellen Sinn reduzierte Abbildung seiner Oberfläche, also die Herstellung eines Bildes. Diese Verweigerung beziehungsweise dieser Verlust charakterisiert die Fotografie in ihrem Wesen und bildet das Grundthema meiner Arbeit. In der Arbeit Uneinsehbare Bereiche sind die Kulissen- und Raumelemente umgeben von kargem Boden, der den einzigen Verweis auf eine existierende Umgebung gibt. Dem Betrachter ist es jedoch nicht möglich, hinter oder über die Kulisse zu schauen, um diese zum Beispiel örtlich einzuordnen. Dem Fotografierten wird der Objektcharakter genommen, zugunsten einer zu bespielenden Oberfläche, die fast die gesamte Bildfläche beansprucht.

In den Bildern sind dem Betrachter visuelle Ansätze gegeben, nach Auswegen zu suchen, gleichzeitig trägt dieser Versuch aber die Unmöglichkeit daran in sich. Die Titel der einzelnen Bilder sind unter anderem: Verstellung, Nische, Spalte, Ecke, Ende, Durchgang, Öffnung, Dopplung, Trichter. Die Fotografie erhält durch die Dualität – den Verlust der Sinne bei gleichzeitiger Befreiung vom Raum – etwas Paradoxes; ebenso wird der tragische Charakter, der in ihr steckt, spürbar.

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