Kathrin Tillmanns

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Kathrin Tillmanns

Das Haus an der Straße

Die Arbeiten gehören zu einem Buchprojekt, welches den Titel Das Haus an der Straße trägt. Dafür hat Kathrin Tillmanns Details ihres Elternhauses in Thüringen fotografiert und es dabei neu kennen gelernt. Sind es nicht die Dinge, die uns nahe liegen, die wir der Nichtachtung oder der Selbstverständlichkeit strafen, welche aber ein ungeheueres Potential in sich tragen? Das Elternhaus als Projekt anzugehen und es mit einem gewissen Abstand sehen zu können erfordert einiges an Durchhaltevermögen. Jeder hat ein Elternhaus oder eine elterliche Wohnung worin er aufgewachsen ist. Für manchen ist die Erinnerung daran verblasst, unangenehm verdrängt oder idealisiert. Gerade heutzutage in einem Zeitalter der täglich geforderten Mobilität, gibt es viele Menschen, die durch ständigen Wohnortwechsel das Elternhaus ihrer Kindheit längst verloren haben. Kathrin Tillmanns Elternhaus steht in einem kleinen Dorf in Südthüringen, unweit des Rennsteigs. Es gibt im Haus Gegenstände, welche zu DDR-Zeiten angeschafft wurden; es gibt aber auch Gegenstände, welche nach der Wiedervereinigung hinzugekommen sind. Wie treffen diese Gegenstände aufeinander? In dem Projekt geht es um Aspekte unserer Gesellschaft. Zum einen geht es um Familienstrukturen. Wie stehen die Familienmitglieder im Haus zueinander? Wie funktioniert das Zusammenleben von unterschiedlichen Generationen? Zum anderen geht es um Zeit. Das Haus als Fels in der Brandung der Geschichte, es steht unbeeindruckt von politischen und gesellschaftlichen Änderungen an seinem festen Platz. Es wurde nur an einigen Stellen etwas aufgehübscht. Es wird wahrscheinlich noch stehen, wenn wir nicht mehr sind.

Es gibt auch den Aspekt des Hauses an sich. Ein Haus hat eine Grenze, nach Innen und nach Außen. Es gibt das Nachbarhaus – in dem übrigens die gleiche Schrankwand steht und die gleiche Stubenlampe hängt. Sozialistische Planwirtschaft der achtziger Jahre eben. Es gibt im Haus Grenz- und Übergangsbereiche zwischen öffentlichem und privatem Raum. Das Elternhaus von Kathrin Tillmanns steht halbfrei, es ist eine Doppelhaushälfte von vielen, wie sie in den sechziger Jahren gebaut wurden. Nach einem Bauplan, nach einem Entwurf, ohne individuellen Eingriff des Bauherren. Kathrin Tillmanns ist auf der Suche nach Bildern, inszeniert jedoch auch. Im vorliegenden Projekt sind die Motive so belassen, wie sie vorgefunden wurden. Einzig zur Optimierung der Bildaussage mussten, um den richtigen Kamerastandort zu finden, Möbel gerückt oder auseinander gebaut werden. Die Bildkomposition war immer schon vorhanden und rief nach ihrer Entdeckung. Die Fotografien rufen beim Betrachter unweigerlich das Bild seines Elternhauses oder einen Vergleich der verschiedenen Räumlichkeiten, Gegenstände und familiären Situationen hervor. Die Bilder führen den Betrachter nicht nur auf eine Zeitreise, sondern auch zu sich selbst.

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